Mehr Toleranz! Weg mit den Schubladen!

Kleine Warnung vorweg: Dies ist ein eher persönlicher, nicht wirklich nur hebammenthemenspezifischer Artikel, der jetzt aber einfach mal raus musste!
Den finalen Schreibanstoß gab mir gestern „Mamamiez“ mit einem Beitrag über Schubladendenken.  Aber das Thema brodelt schon seit einiger Zeit in mir…

„Sisterhood is powerful but it can kill you“

So stand es in den Mitte-Siebziger-Jahren über der Tür einer Mitbewohnerin aus der Frauen-WG, in der meine Mutter eine Zeit lang mit mir wohnte. Über dem Plakat hingen zwei gekreuzte Messer. Ich war damals sechs Jahre alt.
Ich bin mit sehr frauenbewegten Frauen und Männern aufgewachsen. Gleichberechtigung war als Forderung überall präsent. Meine Mutter strich in meinen Kinderbüchern alles wild durch und überschrieb es, wenn dort überholte Rollenbegriffe propagiert wurden. Neue Wohn-Partner-Familienmodelle wurden ausprobiert und gelebt, Kollateralschäden diskutiert, negiert oder akzeptiert. Überhaupt wurde alles anders gemacht. Es wurde antiautoritär erzogen. Auf den Elternabenden im Initiativ-Kinderladen wurde nächtelang darüber diskutiert, ob man eingreifen darf, wenn zwei Kinder sich streiten und wenn ja, dann doch bitte erst, wenn ein Kind ernsthaft Schaden nimmt. Während dessen waren die Kinder sorglos zu Hause – allein und natürlich ohne Webcamüberwachung.

Anything goes

Wände konnten ganz selbstverständlich bemalt werden. Die Kreativität der Kinder durfte unter keinen Umständen gestört werden. Grenzen? Keine Ahnung!
Da Frau nicht mit ihrem Kind brav zu Hause hockte, sondern es überall hin mitnahm, wurden die ersten Tragesäcke einfach selbst genäht.
Bei Partys tanzten wir Kinder mit, bis wir irgendwann – wann, das durften wir selbst entscheiden – auf irgendwelchen Sofas einschliefen oder uns auf einem Teppich zusammenrollten.
Es wurde viel diskutiert und vor allem politisiert: Anti-Atomkraft, Anti-Establishment, Anti-herkömmliche Familie. Natürlich war alles Konservative schlecht. Vielleicht sogar auch das, was gut war. Und alles vermeintlich Schlechte wurde eben bekämpft.

Alle gegen alle

Und wo die Frauen schon so in Kampfeslaune waren, bekämpften sie auch gleich einfach Alles und Jeden. Auch sich gegenseitig. Und gerne auch in Fragen der Kindererziehung. Wo sie sich doch eigentlich unterstützen wollten. In der besagten feministischen Frauen-WG war es besonders schlimm! Sisterhood is powerful, but it can kill you! Dabei war die Gründungsmotivation der WG’s doch anfänglich auch die gegenseitige Unterstützung. Warum erzähle ich das alles?

Eine Frage der Perspektive

Es gibt viele verschiedene Lebensentwürfe, viele Arten seine Kinder zu erziehen und niemand kann für sich beanspruchen, die einzig richtige entdeckt zu haben. Oft ist es einfach eine Frage der Perspektive: Ich zumindest, hatte in all dem Chaos eine glückliche Kindheit!
Die Zeit vergeht. Menschheit entwickelt sich weiter. Eine Sache ist bis heute aber leider gleich geblieben: Frauen bekämpfen sich auf Grund von unterschiedlichen Sichtweisen gegenseitig. Dabei unterstelle ich mal, dass alle das Beste für ihr Kind wollen.

Aber jeder lästert doch mal

Na klar, im stillen Kämmerlein lästert jeder mal. Ist auch OK und normal. Das sagt sogar die Hirnforschung:

„Lästern heißt, sich über Gruppennormen zu verständigen und über Abweichung. So wird das Wir-Gefühl verstärkt.”(…) Lästern ist also gesund – solange das Opfer nichts davon mitbekommt.

Aber es ist eben etwas anderes, sich mit der besten Freundin im Geheimen zu erheitern, als Anderen verletzendes ins Gesicht zu schreien oder sogar, unter dem Deckmäntelchen der Bewunderung, zum Tiefschlag anzusetzen, wie es Sängerin Judith Holofernes kürzlich im Interview beschrieb:

“Erstaunlicherweise kommen die richtigen Tiefschläge meistens von Frauen: Eine Journalistin hat mal zu mir gesagt: „Ich finde es so bewundernswert, wie du das machst. Ich könnte das nicht – ich liebe meine Kinder zu sehr.“ Ernsthaft! Das ist doch pure evil! Und da waren meine Kinder mopsfidel im Nebenzimmer bei Papa – und nicht angebunden an einer Raststätte oder so.”

Mommy Wars

Und so hört man dann auch ständig: „Was, du stillst immer noch? Wie rückständig!“, „Wie, du stillst nicht? Wie abartig!“ Ich bin natürlich auch per se eine absolute Stillunterstützerin. Wenn es irgendwie geht, bin ich immer für den natürlichen Weg.
ABER: Kennt man denn immer die Geschichten hinter den individuellen Entscheidungen? Es gibt sie. Es gibt meistens gute Gründe, eine Entscheidung so oder anders zu treffen.
Hausgeburt – Geburtshaus – Klinik, Stillen – nicht Stillen, Tragetuch – Tragesack – Huckepack, Stoffwindeln – Pampers – keine Windeln, Kevin – Karl – Andromeda…
„Du bleibst wegen der Kinder zu Hause, bist nur Hausfrau und Mutter?“
„Du arbeitest trotz der Kinder? Warum schaffst Du Dir Kinder an, wenn Du sie dann fremd betreuen lässt?“
Warum muss man sich eigentlich immer für alles rechtfertigen? Warum immer diese Kategorisierungen?
Warum muss es einer Frau peinlich sein, ihrem zweijährigen Kind in der Öffentlichkeit die Brust zu geben. Und warum traut sich eine Andere nicht zu sagen, dass sie von Anfang an nicht stillen möchte?
Ist eine schlechter als die Andere? Oder tun sie einfach alle ihr Bestes? Könnte ja sein… Oder sind die einen Kinder später glücklicher, intelligenter, größer, besser… als die anderen? Echt?!
Schon im Sommer 2013 forderte eine Gruppe von amerikanischen Müttern: „End the Mommy-Wars!
Ich schließe mich an. Ihr auch?

Sisterhood is powerful – Ende der Durchsage

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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26 Kommentare
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    Kate sagte:

    Wir nutzen die Schubladen, weil sie helfen. Genau wie Lästern das Gemeinschaftsgefühl stärkt und die Gruppenzugehörigkeit fördern kann, helfen auch Schubladen.
    Es hilft dem Gehirn einschätzen, wie das Gegenüber funktioniert, welche Entscheidungen es, aus unseren Erfahrungen mit anderen die “so ticken”, wohl trifft und ob wir mit ihnen gut klar kommen.

    Schubladen sind mies, wenn man ständig für sie kämpfen muss und die eigene Schublade keine Daseinsberechtigung erfährt.
    So bin ich nicht gegen Schubladen, sondern viel mehr für die Akzeptanz ganz vieler bunter, großer, kleiner, langer, breiter, kurzer und allen anderen Möglichkeiten von Schubladen.

    Viel wichtiger als Schubladen ist für mich, dass alle danach streben glücklich zu leben. Und das soll jedem Menschen gegönnt sein.

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    Katharina sagte:

    Und so hört man dann auch ständig: „Was, du stillst immer noch? Wie rückständig!“, „Wie, du stillst nicht? Wie abartig!“

    Der Satz fasst einer Meinung nach einen Teil der Problematik gut zusammen:
    Jemand fragt aus Interesse “stillst Du noch”? – und jemand anderes hört “wie rückständig” oder “wie abartig” auch wenn das gar nicht gesagt wurde.

    Ich will damit nicht behaupten, dass es keine blöden Weiber gäbe, die sich ungefragt in Dinge einmischen, die sie nichts angehen. Aber ich habe auch gemerkt, dass mein schlechtes Gewissen oder meine eigene Unsicherheit mich Aussagen hören lässt oder Kritik interpretieren lässt, die so gar nicht da war.
    Nachdem ich mir das bewusst geworden war, konnte ich “stillst Du?” auch einfach mit einem “nein” beantworten.

    Kommunikation besteht immer aus Sender und Empfänger. Unabhängig vom Sender und dessen Befindlichkeiten kann ich als Empfängerin mich freientscheiden, wie ich eine Aussage einorde und was ich sie mit mir machen lasse. Schon der Gedanke im Hinterkopf “mein Gegenüber sagt damit etwas über sich und nichts über mich” hilft mir weiter.
    Denn stellt Euch vor: Jemand will mit mir streiten – und ich mache einfach nicht mit. Dann gibt es auch keine Mommy-Wars!

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      Daniela sagte:

      Liebe Katharina,

      ich finde den Artikel auch super, denn er spricht mir aus dem Herzen!

      Deine Antwort hat mich zum Nachdenken angeregt. Und ja, es stimmt. Oft höre ich da einen Vorwurf, der gar nicht da ist – nur weil ich selbst so unsicher bin. Wunderbar, wenn man dann gestärkt daraus gehen kann und das nächste Mal eine kurze Antwort mit mehr Selbstbewusssein geben kann.

      “mein Gegenüber sagt damit etwas über sich und nichts über mich” – diesen Satz werde ich gleich mal ausprobieren – er hilft mir schon jetzt. Danke dafür!

      Aber trotzdem würde ich mich freuen, wenn nicht beim Vorbeigehen über mich lautstark “gelästert” wird (kein Witz, war so), denn ganz ehrlich, auch bei starkem Selbstbewusstsein raubt mir das so viel Kraft! Und die Kraft könnten wir uns als Mamis doch besser gegenseitig schenken, denn der Alltag ist so schon schwer genug.

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      Jana Friedrich sagte:

      Oh, Danke für diese Perspektive!
      Ja, das geht mir auch oft so: Ich höre etwas ganz Anderes als gesagt wurde, weil ich irgendwie darauf programmiert bin, das genau so zu verstehen.
      Drei Schritte zurück und die neutralen Kontaktlinsen rein und schwupps: Alles nur noch halb so dramatisch! Sollte man öfter mal so machen. 🙂

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    September-Juni sagte:

    Oh ja Katharina… sie Sache mit dem Sender und Empfänger… meistens fühle ich mich bei Themen angegriffen, die mich selber ständig beschäftigen und ich stets hinterfrage, ob dies und das und jenes richtig ist.

    Durch meine Zwerge bin ich wesentlich toleranter anderen “Erziehungsmustern” gegenüber geworden. Vieles würde ich nicht so machen aber ich sage mir dann immer: “Wenn diese eine Familie damit besser klar kommt und glücklich ist, warum nicht?”

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      Katharina sagte:

      So grossmütig kann ich nicht immer sein. Ich empathisiere sehr oft mit den Kindern anderer Leute, beispielsweise wenn die aus Erziehungsgründen öffentlich gedemütigt werden o.ä.
      Da kann ich es dann nicht verhindern, dass mir die Kinder leid tun. Da kommt mir meine eigene Kindheit und meine emotionalen Erinnerungen in die Quere (ich weiss einfach noch zu gut, wie es sich anfühlt, vor allen Leuten beschimpft zu werden).
      Andererseits mische ich mich auch nicht ein. Ich denke mir einfach meine Sache. Aber am Ende beobachtet man ja nur einen ganz kleinen Ausschnitt aus dem Leben dieser Leute und hat nicht das Gesamtbild.

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        Jana Friedrich sagte:

        Hey klar, wenn die Kinder unter ihren Eltern leiden, weil sie angebrüllt, oder gedemütigt werden, ist das ne komplett andere Geschichte. Das ist natürlich überhaupt nicht OK und da ist auch ne klare Grenze. Mir geht es ja um Familien, denen es mit ihren eigenen Entscheidungen gut geht. Die aber andere Entscheidungen treffen, als ich das tun würde.

        Bei einer Mutter oder einem Vater, die abends an der Supermarktkasse mit ihrem Kind meckern, weiß ich nie, ob mir die Eltern oder das Kind leid tun sollen. Meistens einfach beide.

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    Katja sagte:

    Ich schließ mich da auf jedenfall an. Das eine sind diese unsäglichen Streiterein zwischen Arbeit und Familie-Entscheidungen, die ich einfach total hirnrissig finde.

    Das andere ist für mich diese hochgehaltene “Mutterliebe”, die es qua Natur ja geben soll. Und beides trägt im Endeffekt nur dazu bei, dass Mommy Wars am laufen bleiben. Weil immer noch welche glauben es gäbe da was, das immer schon so war und das sich einfach so gehört…

    Hab zufällig grade dazu gebloggt. Über die Erfindung der Mutter: http://www.krachbumm.com/2014/08/11/die-erfindung-der-mutterrolle/

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    tofu sagte:

    Kein Mensch kann sich vorstellen, was für Kommentare mein Freund und ich täglich hören, wenn Leute erfahren, dass wir, 24, als Studenten absolut bewusst und geplant für ein Wunschkind entschieden haben. Da bricht alles auf uns herein, was es an Vorurteilen beim Kinderwunsch geben kann – und das tut so weh. Auch rein intelligenztechnisch.
    “Das war doch ein Unfall, oder?” – “Hättet ihr auch wegmachen lassen können.” – “Mit 24 bekommt man doch keine Kinder! Da habt ich doch noch 10 Jahre Zeit!” – “Und du hörst dann auf zu studieren, oder was?” – “Bekommst du dann Hartz IV?” – “Wann heiratet ihr denn?” – “Nicht dass dir der Kerl wegläuft” – “Das arme Kind, das passt doch gar nicht in euer Studentenleben!”…

    Es ist tatsächlich das Schlauste, was wir machen können: Wir können uns abwechseln mit studieren und der Kinderbetreuung und unser Kind wird in den Luxusgenuss von zwei Hauptverdienern UND zwei Vollzeiteltern kommen – Umstände, die sich andere nur wünschen können! Und wenn ich das dann so erkläre, ist Stille. “Achso, das ist ja praktisch!”
    Aber erst einmal mit dem Holzhammer loslegen…

    Ich wundere mich jetzt jedenfalls überhaupt nicht mehr, dass Deutschland eine niedrige Geburtenrate hat. Wenn einem keiner gratuliert, sondern man sich als erstes rechtfertigen muss, warum man welche haben möchte.

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    Kitty sagte:

    Warum Mütter das machen?! Es ist zwar schade aber ich glaube das es wieder so ein überbleibsel von Früher ist, Kategoriesieren sichert das Rudel, den Stamm die Zugehörigkeit… Das war wichtig für das überleben… Damals!
    Wenige sind sich dessen bewusst das man heute auch mit verschiedenen Entwürfen parallel miteinander leben kann, glaube sogar viele sind verwirrt von den vielen Möglichkeiten, dier Schrei nach Richtig und falsch ist so übelst eingebrannt bei uns Menschen.

    Es ist immer ziemlich Paradox, wir erkennen das Problem können es aber nicht lassen.

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    Pauline Réage sagte:

    Es gibt Eltern die Hauen und emotional erpressen als normal sehn. Dös es als normal sehn Mädchen und Buben vorzuschreiben was Mädchen und Buben spiel oder Anziehsachen sind, die meinen ihre Kinder mit Zwang dorthinzubiegen wo sie sie haben wollen. Muss i a ned haben. Wenn alles akzeptiert würde, würd sich nie was ändern. Ich finde es gut das manche Verhaltensweisen einfach Kritik wert sind!!!! Ich muss nicht unreflektiert solidarisch mit jeder Frau sein, schon gar nicht nur aufgrund der Tatsache das wir beide die selben Genitalien haben oder Kinder…wieso zB soll ich für ne Karrierefrau die ihre Kinder vom ersten Lebensjahr bis 16 Vollzeit fremdbetreuen lässt solidarisch zeigen? Nur um zu zeigen das alles Frauen gleich sind? Oder jeder Lebensweg ein gangbarer ist? Vielleicht IST JA DAS ebendas Problem – so zu tun als wäre lebensfeindliches leben genauso akzeptabel wie ein Ressourcen schonendes, als wäre das vernachlässigen seines sozialen Umfeldes genauso OK wie das engagieren in eben diesem. Vielleicht sind wir in den Industrie Nationen auch nur deswegen so kalt weil wir eben so tun als wäre vernachlässigen von Familie und Freunden “ok” wenn man in der zeit nur genug Geld macht….

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    Susanne sagte:

    Ich bin nun nach über 7 Jahren wieder (geplant) schwanger und werde dieses Mal einiges anders machen. Ich denke ich werde regelrecht aussortieren, wenn bekannt wird, dass ich schwanger bin (aktuell 10. SSW, niemand weiß es)
    Bei meinem Sohn wurde ich dermaßen angefeindet, dass ich am liebsten ausgewandert wäre. Die Situation war schon schwierig genug – Notkaiserschnitt in der 35., Teilsektion des kindlichen Darms, zwei weitere OPs, 6 Wochen intensiv, 2 Wochen normale Station. – und ich wurde angefeindet, weil ich nicht stillen konnte. Das Abpumpen habe ich nach 2 Wochen aufgegeben, weil wirklich garnichts mehr kam. Das Kind durfte ich ja nicht anlegen, wegen des Darms.
    Doch das war nicht alles.
    Ich ließ meinen Sohn im Beistellbett direkt neben mir schlafen: “Na da wirst du ja noch Spaß mit haben, wenn er sich nie dran gewöhnt!”
    Ich ließ meinen Sohn nicht minutenlang schreien: “Du verwöhnst ihn und er wird dir später auf der Nase herum tanzen”
    Ich benutzte keine Hausschuhe, sondern dicke Rutschsocken. “Kein Wunder, dass das Kind ständig krank ist!”

    Die Liste lässt sich endlos fortsetzen.
    Ich arbeite Teilzeit, seitdem mein Sohn ungefähr 3,5 ist. Vorher ging er in einen anderen Kindergarten mit Betreuungszeiten von 09:00-12:00.
    20h in der Woche zu arbeiten scheint aber nichts wert zu sein, denn ich höre jetzt schon die Stimmen. “Du bist schon wieder schwanger? Wolltest du nicht mal arbeiten gehen?” “Und dann willst du wieder so lange nichts tun?”
    Die Kommentare erwarte ich größtenteils von meinen kinderlosen Bekannten.
    Jedenfalls habe ich mir fest vorgenommen mich nicht mehr zu rechtfertigen und einfach den Kontakt abzubrechen, natürlich mit klarer Begründung, dass ich kein Boxsack bin.

    Ich finde diese Verhaltensweisen wirklich widerlich. Mir gefällt es persönlich auch nicht, wenn zwei Frauen sich auf dem Schulhof lautstark über Ihren Uterus unterhalten, aber ich würde sie deswegen nicht angreifen oder einen abfälligen Kommentar machen. Aber viele fühlen sich dazu berufen mir Ihre nutzlose Meinung aufzudrücken und das auch noch auf sehr aggressive Art und Weise.

    TOFU hat da mit seinem letzten Satz völlig Recht.. “Wenn einem keiner gratuliert, sondern man sich als erstes rechtfertigen muss, warum man welche haben möchte.”
    So wird’s sein.
    Mit mir nicht mehr.

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    Zesyra sagte:

    Hmmm jein.
    Zum einen möchte ich dir gern zustimmen, zum anderen aber halte ich es nur für natürlich als Mutter den eigenen Erziehungsstil als wahr und richtig zu empfinden.
    Es gibt Dinge, die gehen einfach gar nicht, was das für Dinge sind ist aber stark von der eigenen Erziehung und den eigenen Ansichten abhängig.
    Für mich geht es einfach gar nicht an, dass eine Mutter, die es problemlos könnte, sich entscheidet nicht zu stillen, aus keinem anderen Grund als Sorge über die Optik ihrer Brüste. Finde ich scheiße und würde ich auch jederzeit so vertreten. Für mich stellt da eine ihre Optik über das Wohl ihres Kindes und das geht in meiner Welt einfach nicht.
    Wo hört das “dass das falsch ist, darüber muss man ja nicht diskutieren” auf und wo fängt das diskutieren an? Und was braucht man nicht zu diskutieren sondern sollte es jeder Mama selbst überlassen? Würde ich dazwischen gehen wenn ich Eltern ihr Kind schlagen sehe? Ja. Wenn sie es lautstark beleidigen? Ja. Wenn sie ihm sagen “Wenn du das nicht tust, hat Mama dich nicht mehr lieb”? Vielleicht.
    Würde ich diskutieren.wenn eine Mutter mir sagt “Ich würde nie stillen, meine Brüste sind mir zu schade?” Ja. Wenn eine Mutter sagt “Ach, Jungs sind eben so”? Ja. Wenn eine Mutter mir sagt “Also mein Kind wird vegan ernährt”? Vielleicht.

    In einige Dinge mische ich mich sicher nicht ein, andere wieder gehen gegen meine innersten Überzeugungen, da würde ich etwas sagen. Wieder andere würde ich sicher diskutieren, wenn das Thema darauf käme, würde also zum Beispiel eine Mutter mir gegenüber im Gespräch sagen, dass sie es völlig in Ordnung findet hin und wieder einen Klaps zu verteilen, würde ich ihr mit Sicherheit sagen, dass ich Gewalt nie richtig finde, auch keinen noch so kleinen Klaps und ebenso würde ich ihr sagen warum.

    Das Streiten um die richtige Erziehung mag anstrengend und nervenaufreibend sein. Aber wenn es an keiner Stelle getan wird, dann werden sich viele Dinge auch einfach nicht ändern. Vielen Müttern ist zum Beispiel gar nicht bewusst, dass es eben nicht naturgegeben ist, dass fünfjährige Mädchen sich die Nägel lackieren oder kleinen Jungs beigebracht wird, keine Emotionen zu zeigen.

    Natürlich wollen wir alle das Beste für unsere Kinder. Das heißt aber nicht, dass wir immer wissen, was das Beste ist. Sichtweisen sind ja zum Glück veränderbar. Vielleicht nicht im Streit, in der Diskussion direkt, aber in den Gedanken die danach entstehen durchaus.

    Das Holofernes Zitat – klar sympathisiert man erstmal mit Frau Holofernes. Aber mal im Ernst – war das pure evil? Vielleicht. Wahrscheinlicher ist aber, dass es einfaches Unverständnis über die vorliegenden Verhältnisse war – die man ja auch mit ein paar Worten erklären könnte. Und ganz vielleicht hätte man damit dann auch die Sichtweisen der anderen Frau geändert. Oder zumindest ein interessantes Gespräch erzeugt statt eines abfälligen aber social media fähigen Zitates. Denn was Frau Holofernes auch sagt ist ja: schaut euch die unwissende Arroganz dieser Frau dort an und lacht mit mir darüber – meinen Kindern geht es prima auch ohne dass so eine Trulla mir sagt wie ich sie zu erziehen habe. Sie macht sich also genau dessen schuldig was sie der anderen Dame vorwirft – sie erhebt sich über sie und stellt ihre eigene Position als besser dar.

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      Jana Friedrich sagte:

      Ich kann Deine Ansichten gut nachvollziehen. Dennoch denke ich man muss echt immer vorsichtig sein, mit dem schnellen Urteilen. Ich finds auch immer schade, wenn eine Frau nicht Stillen mag. Aber sie hat bestimmt einen Grund. Es gibt Gründe die ich gut verstehen kann (zB. bei Frauen mit Missbrauchserfahrungen ist das manchmal einfach nicht drin) und Gründe die mir sehr schwer fallen nachzuvollziehen (zB Angst vor Veränderung der Brust).
      Aber andererseits sind Babys in den 70ern selten gestillt worden. Ich kann aber bei meinen Freunden nicht erkennen, wer gestillt wurde und wer nicht…Solange eine Frau ihrem Baby liebevoll die Flasche gibt ist das OK. Stillen gegen den Willen klappt eh nicht. Ich habe das schon oft erlebt, wenn Frauen überredet wurden. Dann gibt es Probleme bei Mutter oder Kind, die oft nachhaltig die Beziehung stören.
      Na klar gibt es eine Grenze bei Vernachlässigung, Misshandlung, da muss man sich einmischen!
      Aber so lange das nicht der Fall ist haben die Eltern einfach die Entscheidungshoheit.
      Diskussionen (nett) können natürlich ein Umdenken bewirken. Aber Angriffe ergeben in der Regel eher Trotz.
      Bei dem Holofernes Beispiel sieht man so gut, wie es einer Mutter geht, die in ihrem Muttersein angegriffen wird.

      Natürlich habe auch ich ein Ideal vom Elternsein und freue mich, wenn Eltern die ich betreue diesem sehr entsprechen. Natürlich verdrehe ich auch manchmal innerlich die Augen, wenn sie das so gar nicht tun. Natürlich beeinflusse ich auch Familien. Das bleibt nicht aus. Aber ich bin mir auch der zerstörerischen Kraft von Negativinput bewusst.
      Und ich finde einfach wir Frauen und Familien sollten uns einfach gegenseitig etwas wohlwollender betrachten und auch mehr unterstützen.

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        Zesyra sagte:

        Deshalb ja so ein ganz bestimmtes Jein 😉
        Nette Diskussionen finde ich immer okay, sich angiften nicht. Trotzdem kann es Positionen geben die man ganz vehement vertritt, wo man eben nicht “nett” diskutiert sondern sagt “nein so nicht”, eben weil sie für einen selbst in Bereiche fallen die Misshandlungen sind oder zumindest nah dran.
        Auch die “angreifende” Seite hat ja in der Regel einen Grund so angreifend zu sein.
        Da ist eben die Frage: wer zieht die Grenzen? Der Gesetzgeber?
        Der reagiert gewiss nicht auf soetwas wie die “stille Treppe/Auszeit”, sowas ist Ermessensspielraum der Eltern, Für mich ist das in der Regel (es kann, wie du in deinem Artikel zum Ferbern so schön geschrieben hast, Ausnahmen geben) ein absolutes No-Go. Nur so ein Beispiel.

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  10. Avatar
    Freya sagte:

    🙂 Schön dass du das geschrieben hast. Ich glaub der Weg daraus ist schwer, aber ich finde man sollte sich immer bewusst sein, dass man da schnell selbst hinabgleiten kann. Und dass meistens, wenn man jemanden für belästerungswürdig, nicht an ihm, sondern an einem selbst liegt und man einfach mal genauer schauen sollte, wieso das jetzt eigentlich so nervig ist.

    Mich verletzt das Verschachteln zutiefst. Aber ich weiß, dass die anderen das meist nicht so meinen. Dass es meine eigene Angst ist zurück gestoßen zu werden, die mich unheimlich empfindlich macht. Ich merk dass ich mich mehr zurückziehe, je weiter meine Empfinden mit denen der anderen auseinander gehen. Es ist mir einfach auch zu oft passiert, dass ich aggressiv angefahren worden bin.

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