Papa erzähl‘ mal! Geburt ist auch Vätersache

Ihr wisst ja, dass mir die Väter* auch immer sehr am Herzen liegen. Die Mütter natürlich sowieso, aber Väter werden immer noch oft vergessen, beziehungsweise unterschätzt. Ich erlebe die meisten Väter als sehr engagiert, teilhabend und wissensdurstig. Oft scheinen sie aber auch noch sehr auf der Suche nach ihrer Rolle in der ganzen Familiennummer zu sein. Kein Wunder, denn so abwesende Väter, wie es vielleicht ihre eigenen Väter oder Großväter waren, wollen sie meist nicht sein. Und die rein häusliche Rolle, die jahrhundertelang Müttern zugeschrieben wurde, wollen nur die wenigsten “neuen Väter” in Gänze ausfüllen. Also irgendwas dazwischen. Was genau, das ist ungewiss. Hier und da tauchen zwar die ersten Rolemodels auf, aber nicht jeder findet sie ohne Weiteres in seinem unmittelbaren, persönlichen Umfeld vor. Und so scheinen viele Väter erst einmal weitestgehend allein auf der Suche zu sein.

Auf der Suche nach Orientierung sind natürlich auch Mütter, denn Eltern werden ist und bleibt ein stetiges Experimentieren mit Ideen, Wünschen und Vorbildern. Aber was tun, wenn man keine hat? Zumindest keine Guten? Ein Ansatz ist Vernetzung, also der Austausch mit Menschen, die in der selben Situation sind oder es schon waren. In meinen Geburtvorbereitungskursen ist der “getrennte Abend”, bei dem sich Mütter und Väter für eine Stunde getrennt voneinander austauschen, ein viel gelobtes Highlight. Eine weitere, gute Vernetzungsidee stellt uns Frau Dr. med. Stefanie Schmid-Altringer im heutigen Gastartikel vor. Sie ist Mitinitiatorin der Erzähl-Cafes, von denen ich früher schon einmal berichtet habe. Anlässlich des internationalen Tag der Hebamme am 5. Mai 2019 haben sie sich das folgende Väterprojekt ausgedacht:

Wie entstehen Vatergefühle?

Jedes Kind hat eine Mutter und einen Vater, aber was macht aus einem Paar, das guter Hoffnung ist, Eltern? Wie entstehen Mutter- und Vatergefühle?

Mütter erleben vom ersten Moment der Schwangerschaft an, dass dieses neue Wesen im Bauch sie radikal verändert, körperlich und psychisch. Dadurch entsteht von Anfang an eine enge Bindung zwischen Mutter und Kind. Neun Monate danach durchleben und durchleiden Mutter und Kind zutiefst verbunden die Geburt, als existentielles Ereignis und hormonelle Achterbahnfahrt. Das schweißt zusammen und knüpft Bindungen, die lebenslang prägen.

Vater sein beginnt schon vorgeburtlich

Aber was passiert in diesem Moment bei den Vätern? Sind sie guter Hoffnung, aber nur ein Nebenschauplatz? Welche Bindung entsteht zwischen einem Vater und seinem noch ungeborenen Kind?

Väter sind bei der Geburt alles andere als Nebensache. Nach neusten Studien wissen wir, wie wichtig das Erlebnis für Väter ist. Bei der Geburt bringt die Frau das Kind zur Welt, es findet aber zugleich auch die „Initialzündung“ als Vater statt und die Geburt als „Elternpaar“. Läuft diese erste Phase für Mutter und für Vater gut, stabilisiert das die Beziehung enorm, zum Beispiel für den Belastungstest der ersten Monate mit Baby, und ist die beste Vorraussetzung dafür, sich auf das Kind wirklich mit ganzem Herzen einzulassen.

Vorbereitet sein hilft

Umgekehrt kann eine für den Vater traumatische Geburt negative Folgen für die ganze Familie haben und sogar Depressionen auslösen, die oft nicht erkannt wird. Die meisten Infomaterialien zur Wochenbettdepression richten sich an Mütter und machen nur auf weibliche Symptome aufmerksam. Der männliche Babyblues oder eine handfeste Väterdepression kann sich anders als bei Frauen äußern, zum Beispiel als Aggression und Beziehungsabbruch. Mitunter kommt auch zu viel Alkohol ins Spiel. Er soll die inneren Schmerzen der Väter betäuben, was die Depression ebenso wie Probleme zwischen den Eltern verstärkt und die Bindungsfähigkeit herabsetzt.

All das ist Grund genug genau hinzusehen, was Mütter und Väter für eine gute Schwangerschaft und Geburt ihrer Kinder brauchen. Ohne Vorbereitung geht es allerdings nicht. Erst wenn Väter verstehen, was in welchen Phasen der Geburt passiert und welche Bedürfnisse eine gebärende Frau haben kann, entwickelt sich aus einem hilflosen Beobachter ein unterstützender, Sicherheit gebender Partner und starker Vater. Ein Vater kann seine Frau nur dann einfühlsam begleiten und schützen, wenn er dem archaischen Erlebnis Geburt gewachsen ist. Dafür müssen seine Bedürfnisse nach Rat, Information und Unterstützung ebenfalls gesehen und gestillt werden. Das ist oft nicht der Fall und genau deshalb gibt es ab jetzt Erzählcafés mit Vätern & Großvätern.

In diesen Erzählcafés unserer bundesweiten Mitmachaktion für eine bessere Geburtshilfe können Mütter und Väter verschiedener Generationen zuhören, sich austauschen und voneinander lernen. Väter erfahren hier viele nützliche Tipps und wirklich wissenswerte, praktische Informationen über Schwangerschaft und Geburt. Von Eltern für Eltern!

Und wenn ihr jetzt Lust bekommen habt, an einem Väter-Erzählcafe teilzunehmen, oder sogar selbst eins zu organisieren, dann könnt ihr euch unter www.erzaehlcafe.net entsprechend informieren. Ich finde die Idee ja sehr schön. Was meint ihr?

 

 

(*In diesem Text geht es um heteronormative Familien. Es gibt viele andere Familienformen. Aber dieser Text ist eben den Vätern – dieser durchaus häufig vorkommenden Spezies – gewidmet.)

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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3 Kommentare
  1. Avatar
    Jürgen Kura sagte:

    Hallo, wir von Väter in Köln e.V. haben bereits ein Erzählcafé zum Thema durchgeführt. Auch Hebammen waren dabei. Mir selbst fällt immer wieder auf, wieviel es dazu noch zu sagen und zu wissen gibt. Zum Beispiel: Die Bindung zum Kind entsteht im besten Fall schon während der Schwangerschaft, auch bei Vätern und: Sie kann aber auch erst in den Monaten nach der Geburt wachsen. Und ich glaube noch etwas: Hebammen sollten auch den Anstoß geben, sich mit der Vaterrolle weit nach der Geburt zu beschäftigen, auch in Bezug auf Elternzeit und Vereinbarkeit von beruf und Familie. LG Jürgen

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    • Avatar
      Jana Friedrich sagte:

      Ich finde du hast Recht. Daher gibt es bei mir die Teilungsstunde, in der sich Väter “unter sich” austauschen können.
      Auch mache ich von Anfang an bindungsfördernde Übungen, wie Tasten des Babys im Bauch.
      In Bezug auf Elternzeit, hoffe ich noch auf große, gesellschaftliche Umschwünge. Das Interesse wird zwar mehr, ist aber immer noch mehrheitlich gering.
      LG

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  2. Avatar
    Rakker sagte:

    Ein solches Erzählcafé ist eine tolle Initiative. Nachdem wir leider beim Geburtsvorbereitungskurs einige Stunden verpasst haben fehlt mir die Möglichkeit mit anderen Vätern in Kontakt zu treten. Für Väter gibt es nach der Geburt wenige Anlaufstellen um andere Papas kennenzulernen. Besonders wenn man nicht in einer Großstadt wohnt. Auf dem Land oder in Kleinstädten gibt es gar keine Kontaktstellen.

    Das ist schade. Zumal mit einem ganz kleinen Baby auch noch nicht auf den Spielplatz geht, wo man vielleicht andere Väter treffen könnte. Wobei ich dies vielleicht mal in Betracht ziehen sollte, auch wenn unser Baby da noch nichts von hat so könnte ich zumindest mal andere Väter in meinem Alter kennenlernen. Über meinen Blog ist bisher auch noch kein Kontakt mit Vätern zustande gekommen. Dafür zwar mit einer sehr netten Mama aber Nette Mamas kenne ich nun schon einige *g*

    Ich hoffe einfach dass ich bald auch mal ein paar Väter im Rhein / Main Gebiet finde, mit denen man sich treffen und austauschen kann.

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