Muttermilch online kaufen – sicher!?

Muttermilch online kaufen will z.B. Sarah aus Hamburg und so ist auf der Facebookseite „Human Milk for Human Babies“ zu lesen: „Sarah aus Hamburg sucht Muttermilchspender für ihre 8 Wochen alte Zwillinge! Wäre toll, wenn jemand dieser Mama helfen könnte!“ Eine andere Mutter, die einen Überschuss an Muttermilch anzubieten hat, schreibt: „Hallo! Ich wohne in der Nähe von Kiel und habe mehrere Beutel gefrorene Muttermilch. Mein Sohn ist 7 Monate alt. Ich rauche nicht und trinke keinen Alkohol. Hat eine Mama Interesse?”
Auf der amerikanischen Facebookseite „EatsOnFeets“  liest man ähnliche Anfragen und Angebote und die Süddeutsche Zeitung macht bereits einen Trend aus den USA aus, der jetzt nach Deutschland zu schwappen scheint.

Angebot und Nachfrage

Bei meiner Recherche für diesen Blogartikel entdecke ich zunächst sogar recht gute Gründe für diese Form von Angebot und Nachfrage: Eine Mutter hat lange Zeit mehr Milch abgepumpt, als ihr zu der Zeit auf der Intensivstation liegender Säugling trinken konnte. Sie möchte damit einfach anderen immunschwachen Babys helfen. Eine andere Mutter kann selbst nicht stillen, da sie starke Medikamente einnehmen muss, die ihrem Kind schaden würden.
Auf den ersten Blick habe ich einfach Verständnis für die Motivationen dieser Mütter und frage mich, ob dieser Milchtausch nicht eigentlich auch ganz normal ist? Gab es nicht immer schon Ammen, die für andere Frauen deren Kinder aus den verschiedensten Gründen stillten – und das sogar gegen Bezahlung?

Ammen

Auf Wikipedia liest man zum Thema Ammen Folgendes:

„Das Stillen der eigenen Kinder durch Lohnammen ist bereits im Altertum belegt…. Im eigentlichen Sinn des Wortes wird jede Frau zur Amme, sobald sie stillt. Erst im übertragenen Sinn des Wortes gilt das Wort Amme für Frauen, die ein fremdes Kind gegen Entlohnung zur Brust nehmen.
Das Stillen durch Lohnammen ging in Europa etwa ab den 20er/30er Jahren des 20. Jahrhunderts stark zurück, als brauchbare Ersatzmilch verfügbar wurde.”

Ammen 2.0

Und heute besorgt man sich eben seine Amme, oder zumindest deren Muttermilch im Internet. Willkommen im 21. Jahrhundert! Aber ist das eine gute Idee?  Spiegel Online macht zumindest in einem heiß diskutierten Artikel bereits ein „gefährliches Geschäft“ aus.

Risiken und Nebenwirkungen

Auf Wikipedia ist Folgendes zu lesen:

„Das Einstellen fremder Ammen ist schon früh grundsätzlich kritisiert worden, hinzu kam aber, dass die völlige Gesundheit der zu dingenden Amme fast nie ganz sichergestellt werden konnte. Auch nahm man an, dass manche Krankheiten über die Milch auf das Kind übergehen könnten und anderes mehr. Deshalb wurden ab dem 19. Jahrhundert in verschiedenen Ländern ärztliche Kontrollen vor der Ammenvermittlung nach dem damaligen Stand der Wissenschaft vorgeschrieben. Ganz ausräumen ließen sich die gesundheitlichen Bedenken trotz sorgfältiger Nachforschungen aber nie.“

Bei Bestellungen über das Netz sind natürlich jeglicher Form von Missbrauch und Betrug Tür und Tor  geöffnet. Aber auch wenn viele der Spenderinnen hehre Absichten haben mögen: Muttermilch ist gesund, aber nicht steril! Sie kann also sowohl Bakterien als auch Viren enthalten. Abgesehen davon weiß man nichts über die Lebensgewohnheiten der Spenderinnen. Viele geben an nicht zu rauchen oder zu trinken. Aber will man darauf vertrauen? Und welche Krankheiten hat die Spenderin, von denen sie möglicherweise selber noch nichts weiß?

Missbrauch und Abzocke

Wenn man etwas genauer in den einschlägigen Portalen liest, stößt man schnell auf die Schattenseite des Ganzen. In relativ kurzen Abständen weisen die Seitenbetreiber immer wieder darauf hin, dass es sich um ein nicht-kommerzielles Projekt handelt. Wer beim Abzocken erwischt wird, wird immerhin von der Seite ausgeschlossen. Aber der Kenntnis der Seitenbetreiber entzieht sich natürlich alles, was nach der Kontaktaufnahme möglicherweise sonst noch so passiert.
Und in der Tat wird für das sogenannte „Weißgold“ teilweise schon gut bezahlt, weiß die Süddeutsche Zeitung in dem bereits oben erwähnten Artikel zu berichten. Und wo es Geld zu verdienen gibt, sind findige Geschäftemacher nicht weit. Da wird auch schon mal Muttermilch mit Wasser gestreckt. Profitmaximierung eben.
Doch gibt es überhaupt seriöse und sichere Alternativen?

Milchbanken – sicher aber selten

In Deutschland gibt es seit vielen Jahrzehnten Muttermilchsammelstellen. Allerdings wurden Mitte der siebziger Jahre, mit dem Auftreten von AIDS und dem Wissen um die Übertragung des Virus auch über die Muttermilch, alle Muttermilchbanken in Westdeutschland geschlossen. Fast alle heute existierenden Banken befinden sich in den neuen Bundesländern. Eine flächendeckende Lösung ist also noch Zukunftsmusik, aber Frauenmilchbanken sind durchaus wieder im Kommen, schreibt schrieb das Portal Medizin24.tv (=mittlerweile leider offline). Und unter der Domain Muttermilchbanken.de wird man ebenfalls entsprechend fündig.

Die dort gespendete Muttermilch wird vor der Freigabe, ähnlich einer Blutspende, infektiologisch untersucht, und in sogenannten Milchküchen keimfrei gemacht. Allerdings kommen diese Spenden vor allem Frühchen zugute, die von der Muttermilch besonders profitieren. Vor allem die in der Muttermilch enthaltenden Verdauungsenzyme können bisher noch nicht synthetisch hergestellt werden. Diese Enzyme können den Darmtrakt der Babys gegen Krankenhauskeime schützen und so vor allem den besonders gefährdeten Frühchen das Leben retten. Einen Bericht über die Praxis einer Münchener Klinik kann man online bei der Abendzeitung München nachlesen.

Ich finde es ist wünschenswert, dass dieses Milchbankensystem weiter ausgebaut wird. Dann könnte Muttermilch bald nicht mehr nur ausschließlich an Frühchen abgegeben werden und der unkontrollierte „Schwarzmarkt“ mit all seinen Schattenseiten würde, zum Schutz von Kindern und Eltern, zurückgedrängt.

Unter guten Freunden

In Foren lese ich oft über die weit verbreitete Praxis des gegenseitigen Stillens von Babys unter Freundinnen. Das passiert zum Beispiel, wenn die eine beide Kinder hütet und das Fremdkind Hunger bekommt. Dann wird es auch gerne mal schnell am eigenen Busen angelegt. Das wird natürlich auch immer heiß diskutiert, denn es ist eine enorme Vertrauenssache und intim obendrein. Aber es kommt dem klassischen Ammenwesen von damals schon wieder erstaunlich nahe.

Ich hoffe ich kann mit diesem Artikel ein bisschen zum vorsichtigen Umgang mit dem Thema beitragen. Und? Würdet Ihr im Netz bestellen oder verkaufen?

 

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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10 Kommentare
  1. Avatar
    Angela sagte:

    Hallochen,

    nein, würde ich nicht. Bei uns in Potsdam gibt es eine Milchbank, die aber leider auch das Problem hat, dass nicht viel gespendet wird. Außerdem kann da sicher auch nicht jede Frau einfach anfragen, die z. B. für ihr 6 Monate altes Kind MuMi möchte. Diese wird dort auch nicht gesammelt, nur die ganz “frische”. Ich kann die Frauen auch sehr gut verstehen, aber das Netz wäre mir aus genannten Gründen zu unsicher. Dann lieber eine klassische Amme…. 🙂 Vielleicht sollte man das als Beruf wieder einführen?? 🙂 Könnte ja dann auch über Abpumpen funktionieren. Ich selbst habe auch mal das Kind einer Bekannten gestillt. Wenn man sich kennt, finde ich das o.k.
    Angela

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    ApfelPhi sagte:

    Ich habe beim letzten Kind an eine Milchbank gespendet und wenn es wieder so läuft, werde ich es beim nächsten Kind auch tun. Schade, dass diese Möglichkeit heute viel zu wenig propagiert wird. Nicht einmal meine Hebamme hat es mir empfohlen. Gut, die hielt zusätzliches Abpumpen auch für grundfalsch – das regelt sich alles natürlich…
    Die Milchmenge hat sich einfach nicht auf niedriges Niveau eingependelt, erst mit ca. 300ml abpumpen pro Tag hatte ich keine Staus mehr.
    Schwierig finde ich die Frage der Vergütung und auch Anerkennung. Mit insgesamt 40l abgegebener Milch konnte ich gerade mal die – nicht zur Verfügung gestellte – Milchpumpe finanzieren, ein Wort des Dankes gab es gar nicht. Wie viel hätte denn so ein vorformulierter Briefe gekostet und wieviel lieber würde ich wieder spenden… Auch wenn ich zugebe mit dem Gedanken gespielt zu haben, aber über das Internet verkaufen würde ich nicht. Da kann ich doch nicht sicherstellen, dass nicht mal Keime reinkommen oder die Kühlkette nicht eingehalten wird. Dann doch lieber für einen feuchten Händedruck spenden und immerhin nicht wegschütten.

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      Jana Friedrich sagte:

      Liebe ApfelPhi,
      finde ich toll, dass Du gespendet hast und es sogar, trotz der widrigen Umstände, wieder tun würdest. Das mit der Anerkennung ist so eine Sache… Du mußt Dir einfach vorstellen, wie dankbar die Familie des Frühchens sein muß, dem die Milch zu Gute kommt!
      Liebe Grüße
      Jana

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        ApfelPhi sagte:

        Nachtrag nach nun insgesamt drei Kindern: Ich habe auch bei Nr 2 gespendet, etwas weniger, da bei Nr 1 ja auch ein gewisser Ehrgeiz dabei war wenigstens die Pumpe “rauszubekommen”. Ein Danke gab es wieder nicht, das Gefühl mit dem Spendewunsch willkommen zu sein wurde in keiner Weise vermittelt. Schade. Da das ganze Sterilisieren alles Zubehörs nach 1 Tag Benutzung auch bei mehrfacher Ausführung sehr aufwändig war, habe ich dann bei Nr3 alles dran gesetzt ein Stillregime zu finden, dass die Milchproduktion in Grenzen hielt. Bei zwei weiteren Kindern war einfach nicht die Zeit da.
        Mit entsprechender App – Schlafentzug lässt grüßen – habe ich es dann echt geschafft jeweils zwei volle Mahlzeiten nur aus einer Seite zu geben. Die langen Ruheintervalle haben dann die Produktion in Grenzen gehalten. Aber wehe ich bin durcheinandergekommen… Schade mit etwas mehr Danke, hätte ich vielleicht auch bei Nr. 3 gespendet. Die Milchmenge wäre definitiv da gewesen.

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  3. Avatar
    Tanja sagte:

    Hallo liebe Jana,

    ich finde du hast einen echt tollen Blog! Es macht spaß ihn zu lesen und die Gestaltung ist richtig angenehm.

    Deinen Artikel über das Muttermilch kaufen im Internet ist gut geschrieben und ich würde mich sehr freuen, wenn du offen bist für eine positivere Sichtweise auf das Ganze :-).
    Schau doch mal auf meiner Muttermich-Börse vorbei unter https://www.muttermilch-boerse.de/ . Sie ging heute online und ich habe über zwei Jahre daran gearbeitet, weil ich als Mutter das Gefühl hatte, dass etwas fehlt. Es ist z B. nur in den seltesten Fällen schlimm, wenn eine stillende Frau krank ist und warum ist es so furchtbar dafür Muttermich Geld zu nehmen?
    Falls du magst, dann gib mir ein Feed Back. Ich würde mich rießig freuen!

    Es grüßt dich eine ganz normale Mami aus Hamburg, die Tanja 🙂

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  4. Avatar
    Gina sagte:

    Ich wäre froh, wenn es bei uns in der Gegend eine Muttermilchbank gäbe. Ich habe bei jedem Kind zu viel Milch gehabt: Beim Mädchen haben wir extra einen Gefrierschrank dazu gekauft, um den Milchmengen Herr zu werden und sie kriegt jetzt immer noch ihre gefrorene Muttermilch ins heißeBadewasser (sehr beliebt als “Mama-Eis”). Auch beim Jungen habe ich jetzt viel zu viel Milch, einen Milchstau nach dem anderen, wenn ich nicht abpumpe. Gerade jetzt, wo er auf B(r)eikost umsteigt, sind es bis zu 300ml zu viel am Tag… Leider gibt es keine Möglichkeit für mich, außer die Milch einzufrieren (und ggf. online abzugeben) – die Frauen, die ich im Vertrauen gefragt habe, ob sie nicht gerne meine Milch verfüttern oder von mir stillen lassen möchten, geben ihren Babys lieber Industrienahrung, als Muttermilch von einer gesunden, durchgeimpften Frau mit medizinischen Kenntnissen und sauberem Haushalt…
    Geld machen wollte ich damit nicht, ich will nur die gute Milch nicht wegschütten…

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  5. Avatar
    sorina hoffmann sagte:

    hallo ihr lieben, ich habe vor fünf wochen mein zweites kind bekommen und täglich einiges mehr an milch übrig, als mein kleiner vielfrass verdrücken kann – sie kommt meist alle zwei bis drei stunden und wird voll gestillt. in den drei wochen, in denen ich dem mehr an milch mit der pumpe zu leibe rücke, habe ich fast 30 beutel mit 150 – 250 ml milch eingefroren und weiss bald nicht mehr wohin damit, denn eigentlich sollte in meinem gefrierschrank essen für uns andere drei und nicht nur für den zwerg drin sein. ich würde ja gern meine milch spenden oder weitergeben, nur leider gibt es die nächste milchbank in leipzig oder chemnitz, also weit weg von mir, und die nehmen auch nur die milch von bis zu vier monate alten babys. zu ddr-zeiten war es wesentlich einfacher, die überschüssige milch abzugeben, heute wird zwar propagiert, dass man sein kind stillen sollte, aber es wird zu wenig dafür getan, es leuten zu ermöglichen, die nicht können … – indem sie sich die milch holen, die sie nicht haben. es ist immer leicht, über muttermilch-börsen zu philsophieren oder irgendwas schlecht zu reden, aber für manche ist es eine möglichkeit. ich würde mir schon wünschen, dass krankenhäuser mit geburtsstation wieder die möglichkeit einer sammelstelle einrichten würden. man kann ja die milch dann an die milchbanken abgeben. aber so wäre zum beispiel schon mal die sicherheit der milch gewährleistet – schlechte wird entsorgt, sie wird “gewaschen” und sicher gelagert. aber das ist für die meisten krankenhäuser wieder zu viel arbeit – schade …

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  6. Avatar
    Marit sagte:

    Hallo,

    entbinde bald mein 5. Kind und konnte bisher leider keines meiner Kinder voll stillen.
    Heute bin ich auf die Seite “Muttermilchbörse” gestossen, und wollte Euch grosszügigen
    Mamas einfach davon berichten!
    Alles Gute,
    Marit.

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  7. Avatar
    Inga sagte:

    Hallo zusammen, wir wohnen in Finnland. Hier ist das Abgeben der Milch durchaus üblich, ich glaube, es läuft über die Krankenhäuser (und wird vergütet). Ich habe mich noch nicht genauer informiert, da unser Baby noch gar nicht da ist, aber ggf finde ich es so organisiert super. Erfahren haben wir davon in der Geburtsvorbereitung. Über das Internet würde ich aber lieber nichts kaufen.

    P.S. Wir haben übrigens erstmal gut gelacht als uns erzählt wurde, das hier auf dem Land noch vor wenigen Jahrzehnten die Milch von den gleichen Milchautos mitgenommen wurde wie die Kuhmilch 🙂

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