Kündigung wegen Elternzeit – ein Bericht

Die Serie Elternzeitberichte von Vätern geht weiter. Im Mai habe ich dafür in einem kleinen Aufruf nach Vätern gesucht, die über ihre Erfahrungen in der Elternzeit berichten. Es geht um Vereinbarkeit, Rollenfindung und darum, wie Väter diese Pause vom Job – im Tausch mit der intensiven Familienzeit inklusive der dazugehörigen Care- & Haushaltsarbeit – erlebt haben. Es haben sich bereits einige Männer bei mir gemeldet und fleißig geschrieben. Jetzt stelle ich sie euch hier im Blog nach und nach vor.
Einer von ihnen ist Max. Er ist 33 Jahre alt und hat inzwischen zwei Kinder (eine Tochter mit 4,5 Jahren und einen Sohn mit 18 Monaten). Er hat zwei sehr unterschiedliche Elternzeiterfahrungen gemacht. Nummer Zwei dann leider mit etwas dramatischem, beruflichen Ausgang…
Aber lest selbst.

Max – “Head of Logistics” im Automobilbereich – Zweifachpapa

Ich bin „relativ früh“ Vater geworden. Ich war zu dem Zeitpunkt gerade noch 28 Jahre alt und Student. Das war 2012. Meine Frau war in einem Vollzeitjob, während ich also studierte. Als wir unsere Tochter bekamen war ich glücklicherweise mit der Uni so gut wie fertig. Nur meine Magisterarbeit fehlte. Da ich ansonsten „Scheinfrei“ war – dem einen oder anderem dürfte dies noch ein Begriff sein – hatte ich die tolle Möglichkeit meine Frau und unser neu geborenes Kind von Anfang an und in Gänze zu erleben. Kein Job der nach mir rief. Kein Zeitdruck! Wir genossen unsere Zeit gemeinsam und konnten so zusammen in unsere neue Rolle als Eltern hineinwachsen.

Da meine Frau angestellt war, hatten wir den Plan, dass sie nach dem Mutterschutz wieder so schnell wie möglich in den Job zurückkehren sollte. Doch dann ging die Firma in der Schwangerschaft insolvent und aus der schnellen Rückkehr wurde eine lange Elternzeit. Glücklicherweise verdiente meine Frau zu diesem Zeitpunkt so gut (und ich neben dem Studium auch), dass wir beide mit dem Elterngeld ganz gut über die Runden kamen.

Ich habe die Zeit mit unserem ersten Kind als eine sehr aufregende und tolle Zeit in Erinnerung. Wir konnten einfach das Elternsein/Elternwerden in unserem Tempo bestimmen und haben sehr viel Zeit zusammen mit unserem Kind verbracht. Ich habe versucht mich so viel wie möglich einzubringen, doch war ich natürlich beim ersten Kind noch sehr unsicher. Doch mit so viel gemeinsamer Zeit, hatten wir beide die Möglichkeit, Stress gegenseitig abzufangen.
Ab und zu war ich an der Uni, habe nebenher gearbeitet und später habe ich die Uni abgeschlossen.
2014 habe ich dann angefangen in Vollzeit zu arbeiten und meine Frau blieb weiterhin mit dem Kind zu Hause.

Elternzeit Nr. 2

Als meine Frau dann 2015 unverhofft wieder schwanger wurde, war für mich von Anfang an klar, dass ich wieder Elternzeit nehmen möchte. Jetzt war ich jedoch in einem befristeten Angestelltenverhältnis.

Ich habe also meinen Arbeitgeber über die Schwangerschaft und die Idee der Elternzeit informiert, auch auf die Gefahr hin, dass meine Befristung nicht aufgehoben wird. Da es eine sehr kleine Firma war und meine beiden Chefs selbst Kinder hatten, ging ich eigentlich von einem sehr wohlwollenden, positiven Ergebnis aus. So hatten sie mir dies auch suggeriert. Schließlich käme doch die Familie an erster Stelle, hörte ich sie immer sagen.
Doch wider Erwarten kam es dann zu Widerständen der Chefs. Ich hatte extra früh Bescheid gegeben, um gemeinsam mit den Chefs eine Möglichkeit zu erarbeiten. Etwa die Möglichkeit die Elternzeit zu splitten oder „günstig“ in den Terminkalender zu legen, um bei großen Projekten mitarbeiten zu können.

Kurz träume ich von einer sechsmonatigen Elternzeit, doch war dies aus finanziellen Gründen für uns nicht zu stemmen. In der Familie hatten wir dann eine dreimonatige Elternzeit für uns gewünscht. Dies habe ich dann auch meinen beiden Chefs gegenüber geäußert. Ein Chef fand es ok, der andere fand es sehr doof.

Durch diesen Umstand wurde die Elternzeit auf Seiten der Firma nie wirklich in Angriff genommen. Meine Vertretung wurde dann 10 Tage vor meinem Antritt in die Firma geholt. Eine Einarbeitung war so gut wie nicht mehr möglich.

Elternzeitreise

Die Elternzeit an sich habe ich wieder als eine sehr schöne Zeit in Erinnerung.
Ich nahm meine Elternzeit, als unser Sohn fünf Monate alt war. Dieses Mal haben wir die Elternzeit anders genutzt und sind als Familie für vier Wochen auf einer langen Reise in Indonesien gewesen. Es war ein wirklich schönes Erlebnis und ich denke, dass auch die zweite Elternzeit, speziell für mich und meinen Sohn, eine sehr wichtige und richtige Erfahrung war.

Ich hatte die Möglichkeit, mich intensiv mit der Familie in Beziehung zu setzen. Ich denke das beide Elternzeiten essentiell dafür waren, wie ich jetzt auf meine Kinder blicke und welchen Umgang ich mit ihnen pflege.

Kündigung

Leider war durch die genommene Elternzeit das Verhältnis zu meinem Arbeitgeber nach der Rückkehr gestört. Hatte ich vorher noch Schlüsselpositionen inne, wurde ich jetzt auf dem „Abstellgleis“ geparkt. Meine Kompetenzen wurden beschnitten und die Sache endete leider 6 Monate nach meiner Rückkehr in einer Kündigung seitens des Arbeitgebers.

Die Gründe wurden mir nie offiziell entgegengebracht, aber von Kollegen weiß ich, dass die Elternzeit der Auslöser für die Abwärtsspirale war.
Ich habe am Ende sogar noch gegen meinen Arbeitgeber geklagt und eine Abfindung bekommen. Dafür jedoch keinen Job mehr gehabt. Diese Zeit war sehr bitter, denn der Job machte mir sehr viel Spaß und mit den Chefs pflegte ich einen freundschaftlichen Umgang. Ich war sehr enttäuscht.

Was uns wichtig war

Beide Male haben meine Frau und ich zeitgleich die Elternzeit genommen. Ich empfand dies als sehr gut, denn wir konnten uns beide im Alltag mit den Kindern entlasten. Hatte meine Frau eine harte Nacht mit den Kids hinter sich gebracht, bin ich morgens mit den Kindern aufgestanden und meine Frau konnte Schlaf nachholen. Gemeinsam Zeit als Familie verbringen, das war uns sehr wichtig. Ich kann gar nicht so genau sagen, was ich mir von der Elternzeit versprochen hatte. Ich hatte einfach das große Bedürfnis, so viel Zeit wie möglich bewusst mit den Kindern zu verbringen. Freunde und Familie haben sehr positiv auf die Elternzeit reagiert. Für viele war es sogar etwas Besonderes, das ich mehr als die „obligatorischen“ zwei Monate Elternzeit nahm. Noch dazu zusammenhängend. Viele befreundete Väter nahmen zwei Mal jeweils einen Monat Elternzeit, damit der Ausfall für die Firma „nicht ganz so schmerzhaft“ ist.

Fazit

Trotz meiner persönlichen „Elternzeitgeschichte“ würde ich den Weg immer wieder genauso gehen wollen. Wenn man es sich leisten kann – und ja: es ist auch eine Frage des Einkommens, bzw. der Höhe des Elterngeldes – dann würde ich jedem Vater empfehlen, es genauso zu machen. Man merkt in solchen Situationen wie viel Arbeit und Zeit so ein Kind bindet, aber auch wie schön und aufregend die Zeit mit einem Kind in der Elternzeit sein kann.

Rolemodel

Ein konkretes Vorbild für die Elternzeit, oder für mich als werdender Vater, hatte ich nicht. Ich habe mich bei beiden Elternzeiten auch nicht wirklich vorbereitet. Mein Interesse für die Elternschaft wurde sogar erst durch die intensive Auseinandersetzung mit meinen Kindern geweckt. Dadurch fing ich an, mich in den sozialen Medien mit anderen Eltern auszutauschen und zu bloggen. Und gemeinsam mit meiner Frau werde ich demnächst über politische und gesellschaftliche Themen rund um Elternschaft und Familie bloggen. (Unter “Die gute Kinderstube“, bloggt Max’ Frau Julia über ErBeziehung und über Bindungsorientierte Elternschaft).

Wünsche

Ich würde mir vom Staat eine Erhöhung des Elterngeldes für Menschen mit niedrigem Einkommen wünschen. Politik und Wirtschaft fordern vom Arbeitnehmer mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort und Arbeitszeit. Doch das ist keine Einbahnstraße! Insbesondere von der Wirtschaft wünsche ich mir mehr Verständnis für die Elternzeit. Ich bin der Meinung, dass auch Unternehmen von der Elternzeit profitieren würden. Wo, wenn nicht in der Familie, lernt man Stressresilienz, Prioritätensetzung und Kommunikationsfertigkeiten?!

Lieber Max, danke für deinen Bericht und den wunderbaren Abschlußsatz!

Wow, eine Kündigung wegen Inanspruchnahme von Elternzeit! Das ist hart.
Ich finde es krass, dass so etwas in unserer Gesellschaft und in unserer Zeit tatsächlich (noch) vorkommt. Man vermutet zwar häufig Karriere-Nachteile, aber so extrem… das hätte ich nicht gedacht. Ihr?

Ein Einzelfall, oder?

Kommt das wohl häufiger vor? Hat jemand von euch schon Ähnliches erlebt? Ich kann mir vorstellen, dass die Vermutung öfter mal naheliegt, sich das aber natürlich nicht immer zweifelsfrei nachweisen lässt.
Was meint ihr?

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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7 Kommentare
  1. Avatar
    Klara Wowendt sagte:

    Liebe Jana,

    der richtige Kompromiss zwischen Job und Familie ist in der Tat immer noch eher schwer zu finden. Viel zu viele Interessenkonflikte stoßen hierbei zusammen – der Chef der Firma möchte Produktivität, der Vater möchte Zeit mit seinen Kindern und der Familie verbringen. Echt unerhört, wenn du mich Fragst, dass deswegen sogar eine Kündigung die Konsequenz sein kann. Naja, da muss meiner Ansicht nach vor allem mehr in der Politik passieren, um bessere Lösungen zu finden. Sehr interessanter Beitrag! Ich freue mich auf mehr.

    Liebe Grüße,
    Klara W.

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    • Avatar
      Jana Friedrich sagte:

      Liebe Clara, vielen Dank!
      Ich denke auch, dass auf politischer Ebene noch mehr passieren muss. Familien brauchen mehr finanzielle Sicherheit in dieser Zeit. Und es fehlt noch an Vorbildern auf höherer Ebene. Wo sind die Politiker und Firmenbosse, die wirklich ausgedehnte Elternzeiten nehmen und dafür werben? Welche Unterstützung könnte von staatlicher Seite gewährt werden, wenn ein Vater mit kleinem Gehalt in längere Elternzeit gehen möchte?…
      Es gibt noch einiges zu tun.
      Die Serie geht weiter – ich hab hier noch einen ganz tollen Bericht liegen.
      Liebe Grüße,
      Jana

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    Marc sagte:

    Sehr schöner Erfahrungsbericht. Leider ist ein solches Vorgehen/Verhalten bei Arbeitgebern wohl noch immer weit verbreitet.

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    Anna sagte:

    Ich habe jetzt keine konkrete Erfahrung zum Thema Elternzeit… schlicht weil ich keine Kinder habe.
    Aber ich wünsche mir welche! So war ich letztens bei einem Career-Talk mit diversen Großkanzleien und Unternehmensberatungen. Ich habe auch die Frage gestellt, ob es möglich wäre Job und Kinder mal zu vereinbaren.
    Ich wurde Verständnislos angeschaut und dann wurde gesagt: naja man verdient ja gut, man kann sich also eine Nanny leisten!

    Also Elternzeit usw. Wird da definitiv nicht gern gesehen, hol dir lieber eine Nanny ins Haus.

    Sowas finde ich extrem schade, aber immerhin steht für mich so fest, wo ich niemals arbeiten wollen würde.

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    • Avatar
      Jana Friedrich sagte:

      Diese Einstellung finde ich auch ganz schön blöd. Aber ich kenne solche Familien auch. Die Kinder werden den gestressten Eltern dann zwischen Büro und Business-Dinner schnell von der Nanny frisch gewaschen und adrett vorgeführt und dürfen 5 Minuten der wertvollen Zeit haben. Was für eine Beziehung ist das? Die Kinder sind da ein reines Statussymbol, was eben dazu gehört, wie das Haus, das Auto und die Golfclub-Mitgliedschaft. Schade!

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  4. Avatar
    Leila sagte:

    An diesen Erfahrungsberichten sieht man, dass die Diskriminierung bzgl. Kinder nicht geschlechterspezifisch ist. Jetzt sind halt nicht nur (werdende) Mütter ein “Risiko” für die Firma, sondern die Väter quasi in gleichem Maße (Immerhin können sie noch nicht schwanger werden xD)

    Mit unserer Papaelternzeit geht Gott sei Dank alles gut, aber wir waren mit unserem 3monate Altem Sohn auf einer Jobmesse. Papa und Sohn zusammen, ich alleine.
    Der Papa wurde zu vielen Firmen geholt und gefragt ob er dort nicht arbeiten möchte. Als er meinte er nimmt das Kind, damit es der Frau “nicht im Weg steht” haben ihm die Personaler (auch die Frauen) gesagt, stimmt das ist besser so…

    Ed würde ja auch viel helfen, wenn es gar keinen Nachwuchs gibt und die gute Wirtschaft ein jähes Ende hat. Irgendwie wird das leider Übersehen :/…

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