Eine schwierige Geburt verarbeiten – So hilft dir das Schreiben deines Geburtsberichtes
Seit ich Geburtsberichte veröffentliche (2013), werde ich von entsprechenden Zuschriften regelrecht überschwemmt. Tatsächlich habe ich hier noch gut 100 Texte auf Lager!
Das zeigt, was für ein großes Bedürfnis es vielen Frauen ist, die eigene Geburt – ganz gleich, ob es eine gute oder schwierige Geburt war – im Nachgang zu reflektieren. Bei einer schönen Geburt ist das relativ leicht. Da sprudeln die überwiegend positiven Erinnerungen nur so heraus. Wenn es jedoch eine schwierige Geburt war, vielleicht sogar traumatisierend, dann ist das schon gar nicht mehr so einfach. Aber gerade dann ist es wichtig und hilfreich, die Geburt aktiv zu verarbeiten. Nur: wie geht das genau?
Meine heutige Gastautorin – Tanja Liebl – ist Hebamme und angehende Psychotherapeutin. In ihrer Praxis in Österreich bietet sie Geburtsvorbereitung mit Hypnose (Hypnobirthing) an und begleitet Frauen bei der Verarbeitung schwieriger Geburtserlebnisse und emotionalen Krisen rund um’s Kinderkriegen. Zu diesen Themen veröffentlicht sie Blogartikel und zeigt in einem kostenlosen Online-Minikurs, wie frau eine schwierige Geburt verarbeiten kann.
Anleitung zum Geburtsbericht verfassen
Speziell für den Hebammenblog hat sie eine praktische Anleitung geschrieben, wie man das Projekt: „Geburtsbericht verfassen“ am besten angehen könnte, ohne dabei von eventuell auftauchenden, negativen Gefühlen überwältigt zu werden. Es ist ein 4-tägiger „Schreibplan“, den ich richtig gut finde. Aber lest selbst:
– Ein Gastartikel von Hebamme Tanja Liebl –
Neulich saß eine Klientin in meiner Hebammenpraxis: Sie hatte eine schwierige Geburt erlebt. Es war vier Monate her. Nun war sie auf der Suche nach einer Möglichkeit, dieses Geburtserlebnis zu verarbeiten. Anfangs hatte sie sich noch gedacht, dass „das” schon wieder gut werden würde und sie einfach ein bisschen Zeit bräuchte. Im Alltag fiel ihr jedoch auf, dass sie emotional unausgeglichen war und oft an das Geburtserlebnis denken musste. Ihr Mann erzählte ihr dann einmal, dass ihm der vierjährige Sohn gesagt hatte: „Die Mama weint so viel.” Ab diesem Zeitpunkt war für sie klar, dass sie die Geburt und das damit verbundene Erlebte aufarbeiten muss.
Meine Klientin ist kein Einzelfall: So wie ihr ergeht es nicht wenigen Frauen nach der Geburt. Nach aktuellen Untersuchungen* empfindet ein Drittel der frischgebackenen Mütter die Geburt rückblickend als schwieriges und belastendes Erlebnis. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Baby spontan oder per Kaiserschnitt geboren wurde. Die Nachwirkungen von schwierigen und traumatischen Geburten können weitreichend sein und lange andauern. Eine der möglichen Begleiterscheinungen kann eine Wochenbettdepression sein.
Die Heilung der seelischen Wunde nach einer schwierigen Geburt ist möglich. Dafür gibt es viele verschiedene Methoden. Eine davon ist das Schreiben über die Geburt. In diesem Artikel zeige ich dir, wie es geht:
Ordnung in das emotionale Chaos nach einer schwierigen Geburt bringen
„(…) beim Verfassen des Berichts sind unheimlich viele Tränen geflossen. Aber ja: Es hat geholfen, meine Gedanken zu ordnen.” Anna
Nach einer schwierigen Geburtserfahrung kommt es oft vor, dass im Inneren Chaos herrscht: Ein Chaos der Emotionen und der Erinnerungen. Schreiben hilft, Ordnung zu schaffen und den ersten Schritt in der Heilung der Erinnerungen zu tun.
„Es hilft. Umso öfter ich darüber rede oder schreibe, umso besser geht es mir.” Angelina
Die Geburtsgeschichte erhält durch die schriftliche Auseinandersetzung einen Anfang und ein Ende. Teile der Erinnerung werden geordnet und bekommen ihren Platz. Oder es tauchen überhaupt Erinnerungen auf, zu denen es keinen bewussten Zugang gegeben hat.
Meiner Erfahrung nach ist das Schreiben über die Geburt für viele Frauen ein guter Beginn der Heilungsreise. Wenn Gedanken, Emotionen und Erinnerungen geordnet sind, bietet dies die Möglichkeit, genau zu schauen, wie die nächsten Schritte aussehen können.
Das Schreiben über die schwierige Geburt: eine beängstigende Sache?
Der erste Gedanke daran, darüber zu schreiben, was für dich eine schlimme Erfahrung gewesen ist, kann durchaus beängstigend sein. Vielleicht magst du es dir nicht vorstellen, dich mit dem, was geschehen ist, auseinanderzusetzen: Noch einmal alles durchgehen? Die Bilder, die wieder auftauchen und die Gefühle, die mit der Geburt verbunden sind – das ist verständlich. Ich versichere dir, dass Schreiben ein sehr wirksames Werkzeug bei der Heilung des Traumas ist.
Gestalte dir das Schreiben über die Geburt als ein Ritual
Reserviere dir genügend Zeit und achte darauf, dass dein Kind in guten Händen ist, du ungestört sein kannst und schaffe dir dabei eine angenehme Umgebung. Schalte dein Mobiltelefon auf lautlos, suche dir einen gemütlichen Ort und gönne dir eine Tasse deines Lieblingstees oder Kaffees. Wenn du möchtest, kannst du auch eine Kerze anzünden und Musik auflegen, die dir guttut. Im Prinzip ist es egal, ob du mit Stift und Papier oder am Computer schreibst: Untersuchungen zeigen*, dass es keinen Unterschied in der Effektivität gibt und beide Methoden gleich wirksam sind.
Dein 4-tägiger Schreibplan
Diese Anleitung ist aus zahlreichen Studien entstanden, die eine positive Wirkung auf die Verarbeitung eines schwierigen Erlebnisses aufzeigt:
Tag 1:
Dein Ziel für den ersten Tag ist es, das Geburtserlebnis komplett aufzuschreiben.
Dauer: Es dauert so lange, wie es dauert. Plane ausreichend Zeit dafür ein.
Schreibe über den Ablauf der Geburt. Vom Beginn bis zum Ende. Wo die Geschichte beginnt und endet, bestimmst du. Für manche Frauen startet die Geschichte vor der tatsächlichen Geburt und endet erst einige Zeit danach. Gab es in der Schwangerschaft Komplikationen? War die erste Zeit im Wochenbett auch herausfordernd? Dann gehört das für dich eventuell zur ganzen Geschichte dazu.
Häufig ist die Erinnerung an Einzelheiten und die zeitliche Abfolge von Ereignissen während der Geburt etwas verschwommen und unklar. Ich vergleiche eine schwierige Geburt zur Erklärung gerne mit einem Puzzle, bei dem einige Teile fehlen. Erst wenn das Puzzle fertig ist, kommt es wieder zurück in die Schachtel und wird verstaut. Durch das Schreiben der Geburtsgeschichte kannst du die fehlenden Puzzleteile suchen und dann einfügen. Das bringt oftmals viel Klarheit und wirkt heilsam.
Deine Geburtsgeschichte ist eine Dokumentation darüber, wie du die Geburt erlebt hast. Sie spiegelt deine Erfahrung und deine Sicht der Dinge wider.
Tag 2:
Schreibe über deine tiefsten Gedanken und Gefühle rund um das Geburtserlebnis und lasse alles so richtig heraus.
Dauer: Nimm dir 20 Minuten Zeit.
Tag 3:
Schreibe darüber, wie sich diese schwierige Geburt ganz allgemein auf dein Leben ausgewirkt hat. Wo und wie spürst du diese Auswirkungen?
Dauer: Wieder 20 Minuten.
Tag 4:
Dies ist der letzte Tag der Schreibübung. Sieh dir deine Texte der letzten Tage an: Welche Gefühle und Gedanken tauchen auf? Gibt es etwas, worüber du noch nicht geschrieben hast? Was hast du durch dein Geburtserlebnis gelernt oder verloren?
Schreibe an jedem der Tage in einem durch. Hast du mit dem Schreiben erst einmal begonnen, höre nicht auf damit: Schreibe weiter, bis die 20 Minuten geschafft sind. Achte dabei nicht auf Ausdruck, Stil, Rechtschreib- oder Grammatikfehler. Wenn du vor Ende der 20 Minuten nicht mehr weißt, worüber du schreiben sollst, dann wiederhole einfach das, was du schon geschrieben hast.
Du schreibst nur für dich und für niemanden sonst! Nach den 4 Tagen kannst du das Geschriebene entweder im Zuge eines Rituals verbrennen, in eine besondere Kiste oder Box geben oder auf einem USB-Stick speichern und einen Platz dafür suchen. Schreibe deine Geburtsgeschichte nicht als einen Brief an das Krankenhaus, den Arzt bzw. die Ärztin oder die Hebamme. Das kannst du gerne im Nachhinein tun. Diese Zeilen jetzt sind nur für dich bestimmt.
Wenn du merkst, dass du an einem Moment der Geburt angelangt bist, der zu emotional und belastend ist, dann lasse diesen für den jetzigen Augenblick einfach aus. Höre gut in dich hinein, was gut für dich ist und was nicht.
Es kann sein, dass du nach einer Schreibeinheit traurig bist und du den Eindruck hast, dass es dir schlechter geht als zuvor. Das kann beim Schreiben über Belastungen vorkommen und ist völlig normal. In der Regel dauert das einige Minuten – in seltenen Fällen bis zu mehreren Stunden. Falls es sich einrichten lässt, wäre es gut, wenn du nach dem Schreiben noch ein wenig Zeit alleine für dich hast. So kannst du das Geschriebene und damit verbundene Gefühle und Gedanken reflektieren.
Was kannst du tun, wenn du Probleme hast, mit deiner Geburtsgeschichte zu starten?
Manche Frauen tun sich schwer damit, mit dem Schreiben zu beginnen. Die folgenden Fragen können dabei helfen, den Schreibprozess zu starten:
- Wie hat die Geburt begonnen? Wo warst du zu diesem Zeitpunkt? Wie hast du dich dabei gefühlt? Wer war an diesem Ort anwesend? Hat jemand etwas gesagt, woran du dich erinnerst?
- Hat die Geburt mit einer unerwarteten Komplikation oder einer medizinischen Maßnahme begonnen (z.B. Geburtseinleitung)? Vielleicht beginnst du darüber zu schreiben: über die Möglichkeiten, die dir erklärt wurden; deine Gedanken dabei und wie der weitere Verlauf gewesen ist.
- Wer war bei der Geburt dabei? Erinnerst du dich daran, welche Emotionen du gegenüber den anwesenden Menschen gefühlt hast?
Auch wenn du dir über die zeitliche Abfolge unsicher bist: Schreibe die Dinge so, wie du sie in Erinnerung hast.
Was kannst du tun, wenn du es nicht schaffst, über die schwierige Geburt zu schreiben?
„Ich habe Angst davor, dass mich das Aufschreiben überfordert…, dass mich alles überrollt. Ich habe so sehr mit den Folgen zu kämpfen, die weit in meinen ‚Alltag’ hineinreichen.” Stephanie
Fällt es dir schwer, dich an die Bilder der Geburt zu erinnern?
- Damit es leichter wird, kannst du dich selbst aus einer Beobachterperspektive in der Geburtssituation sehen: entweder von vorne, von hinten oder auch aus der Vogelperspektive. Du kannst auch den Abstand zu diesem Bild verändern. Einfach innerlich so weit „weg gehen“, bis du spürst, dass es für dich passt.
- Eine weitere Möglichkeit ist, dass du die Geburtsgeschichte nicht in der Ich-Form, sondern in Form der dritten Person schreibst.
- Was du auch machen kannst, ist, dass du dich an die schönen und freudvollen Momente der Geburt erinnerst. Ich bin mir nahezu sicher, dass es diese kleinen Lichtblicke während deiner Geburt auch gegeben hat. Vielleicht musst du dich aber gezielt auf die Suche danach machen. Das können ganz winzige Details, wie der Sonnenschein draußen vor dem Fenster, oder ein schönes Lied, das im Radio gelaufen ist, sein.
Und wenn auch das nicht hilft und du bereits spürst, dass du durch die Erinnerung und durch das Daran-denken emotional überwältigt wirst, ist die Zeit noch nicht gekommen, über die belastenden Momente der Geburt zu schreiben. Dann tue es nicht und warte darauf, bis du soweit bist.
5 Schritte, um dir „deine“ Geburt zurückzuholen
Nach einem belastenden Geburtserlebnis haben Frauen oft das Gefühl, dass ihnen die Geburt „weggenommen“ wurde – dass sie keine aktive Rolle gehabt haben; sie untätig waren, während andere „taten“ und dass sie ihr Baby nicht aus eigener Kraft geboren haben.
Die Zeit kann nicht zurückgedreht werden. Doch durch das Schreiben gelingt es, sich die Geburt „zurückzuholen“. Ein Stück weit zumindest. Das ist möglich, wenn eine Frau exakt versteht:
- WAS passierte,
- WARUM es geschah und
- WANN es passierte
Wenn du nach der Schreibübung weiter daran arbeiten möchtest, die Geburt zu „verdauen”, dann gehe einen Schritt weiter und hole dir „deine“ Geburt zurück:
- Schreibe deine Geburtsgeschichte auf. (siehe Tag 1)
- Frage deinen Partner danach, wie er den Ablauf und die Ereignisse in Erinnerung hat. Er kann dir dabei helfen, mögliche Lücken in deinem Gedächtnis zu füllen.
- Organisiere dir eine Kopie der Unterlagen, bzw. der Geburtsakte aus dem Krankenhaus, Geburtshaus oder bei deiner Hausgeburtshebamme.
- Sieh dir deine Unterlagen zusammen mit einer Hebamme an.
- Schreibe deine Geburtsgeschichte neu auf. Ergänze diese mit den Erinnerungen deines Partners und den Informationen aus deiner Geburtsakte und der Geburtsnachbesprechung mit deiner Hebamme.
Der Prozess kann eine starke und positive Wirkung auf die Verarbeitung der Geburt haben.
„(…) Ich war nach der Geburt monatelang gefangen in einer Endlosschleife. Täglich haben sich meine Gedanken nur um diese Geburt gedreht (…). Irgendwann habe ich angefangen zu schreiben. (…) Anfangs waren es vor allem die schlimmen Momente, an welche ich mich erinnern konnte. Aber mit der Zeit kamen immer häufiger auch schönere Bilder und Gefühle dazu. Mir war so, als würden sich meine Gedanken irgendwann langweilen, jeden Tag das Gleiche auf das Papier zu schreiben. Am Ende hatte ich sogar Bilder in meinem Kopf wiedergefunden, die mich vor Freude weinen ließen. (…) Mit dem Wiederauffinden der schönen Bilder ließ auch langsam mein Bedürfnis zu Schreiben nach. (…) An einem Abend habe ich die vielen vollgeschriebenen Blätter genommen und in einer Box verstaut und sie ganz fest verschlossen – ich habe mich verabschiedet von meiner schweren Geburt, und seitdem habe ich meinen Frieden gefunden.” Daniela
Einen Beschwerdebrief verfassen
Es kann sein, dass du dich im Verlauf der Geburt vom anwesenden Fachpersonal nicht gut betreut gefühlt hast. Oder dass du dir alleine gelassen vorgekommen bist, dass deine Wünsche nicht gehört wurden und dass über deinen Kopf hinweg Entscheidungen getroffen wurden. Möglicherweise hast du körperliche Übergriffe erlebt. Dies können Ursachen für traumatische Geburtserlebnisse sein.
Vielen betroffenen Frauen hilft es dann, einen Brief an die Klinik, die Ärzte und Ärztinnen oder Hebammen zu schreiben, von der bzw. denen sie sich im Stich gelassen gefühlt haben. Bevor du solch einen Brief schreibst, ist es sicher von Vorteil, wenn du vorher die eingangs erwähnten Aufgaben erledigst: die viertägige Schreibübung und die 6-Schritte-Methode. Dann hast du die Geburt für dich sortiert und Klarheit bekommen und kannst den Feedback-Brief mit einem kühleren Kopf schreiben.
Was machst du schlussendlich mit dem Brief? Höre in dich hinein. Vielleicht möchtest du ihn aufheben oder verbrennen oder abschicken.
Das Kapitel „Geburt“ fertigstellen
Schreiben alleine ist keine Garantie dafür, dass du eine schwierige Geburt verarbeiten kannst. Es ist aber ein guter Startpunkt. Und wenn du merkst, dass dir das Schreiben über die Geburt zwar guttut, jedoch nicht ausreicht – dann gibt es weitere Möglichkeiten:
- Austausch mit anderen Müttern, die ebenfalls traumatische Erlebnisse hatten
- Bücher lesen
- Selbsthilfegruppen
- Aufarbeitung mit einem/einer TraumaberaterIn oder -psychotherapeutIn
Für meine Klientin, von der ich dir am Beginn erzählt habe, war das Schreiben ein erster Schritt. So hat sie sich mit dem Geburtserlebnis auseinandergesetzt und es schlussendlich geschafft, dieses hinter sich zu lassen.
Nun bin ich neugierig: Kannst du dir vorstellen, dass dir Schreiben bei der Verarbeitung hilft? Hast du Fragen zur Auflösung belastender Geburtserlebnisse?
Liebe Tanja, ich danke dir für diesen schönen Gastbeitrag, von dem ich glaube, dass er vielen Leserinnen eine Hilfe sein wird.
Habt ihr Lust mal von euren Schreib- und Verarbeitungserfahrungen zu berichten?
*Quellenangaben: Beck, C., Watson, J. & Watson, S. (2013). Traumatic Childbirth. London and New York: Routledge Verlag
Pennebaker, J. W. (2014). Expressive Writing: Words That Heal. Washington: Idyll Arbor.
Pennebaker, J. W. (1997). Writing about Emotional Experiences as a Therapeutic Process. Psychological Science. 8(3), 122-166.
Unterholzer, C. C. (2017). Es lohnt sich, einen Stift zu haben. Schreiben in der systemischen Therapie und Beratung (Systemische Therapie). Heidelberg: Carl Auer-Verlag
Vielen Dank für den tollen Text. Ich habe bei beiden Kindern einen Geburtsbericht geschrieben ubd es hat mir grad nach der ersten Geburt sehr geholfen.
Das ist schön zu lesen!
Liebe Grüße,
Tanja
Ein toller Bericht zu einem Thema, das oftmals bagatellisiert wird und daher umso wichtiger und toller, dass ihr darauf aufmerksam macht und somit auch den Weg zur Verarbeitung ebnet und erleichtert! Herzliche Grüße
Hanna
Liebe Hannah,
da freu ich mich, dass dir der Artikel gefällt! Und ja – leider werden schwierige Geburtserfahrungen zu wenig ernstgenommen… Da ist noch viel zu tun!
Dir einen lieben Gruß,
Tanja
Dieser Beitrag kam für mich genau zur richtigen Zeit. Nach der Geburt meiner Tochter im Mai habe ich auch immer wieder mit dem Erlebten gehadert, viel geweint, und mir was-wäre-wenn-Fragen gestellt. Ohne diesen Beitrag hier zu kennen, habe ich intuitiv die oben genannten 5 Schritte unternommen – einen Geburtsbericht verfasst, der auch heute noch überarbeitet und ergänzt wird, meinen Mann nach seinen Eindrücken gefragt, den Geburtsbericht der Klinik angefordert und mit der Hausgeburtshebamme besprochen, und zuletzt einen Brief ans Krankenhaus geschickt, in dem ich Fragen stelle (nach Wochen habe ich immer noch keine Antwort). Ich habe das Gefühl, erst dann meinen inneren Frieden mit dem Geburtserlebnis schließen zu können, wenn ich Antworten auf meine Fragen habe, weil ich erst dann weiß, wie ich den Abbruch der Hausgeburt bewerten kann – war es unter medizinischen Gesichtspunkten die richtige Entscheidung? Hätte die Hebamme mich mehr ermutigen müssen, durchzuhalten? Und noch viele Fragen mehr, vor allem für den Zeitraum im Kreisaal. Es ist so schade und traurig, dass gut 24 h tolle Hausgeburtserfahrung von 1,5 h negativer Krankenhauserfahrung überlagert werden. Dort kam meine Tochter ja schlussendlich zur Welt, und die Hausgeburt wollte ich doch nur deshalb, weil sie einen friedlichen Eintritt bekommen sollte, und genau das blieb ihr, bzw. uns verwehrt.
Noch eine kleine Anmerkung an Frau Friedrich: ich bin froh, gelegentlich auf diese Seite zu schauen. So konnte ich lesen, dass Sie sich vor Geburtsberichten kaum retten können, was mir erklärt, weshalb ich keine Rückmeldung bekam, als ich Ihnen meinen Geburtsbericht zuschickte. Ich hatte große Hoffnung, durch Ihr Feedback etwas Trost zu finden, bekam jedoch nicht mal eine förmliche Mail, dass Sie den Bericht erhalten haben, jedoch zurzeit keine Muße dafür finden. Schade, aber jetzt etwas nachvollziehbarer.
Liebe Katharina, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Baby! Schade, dass die Geburt nicht so verlaufen ist wie gewünscht. Ich kann es gut verstehen, dass da noch das Gefühl von offenen Enden da ist und hoffe sehr, dass die Klinik bald antwortet. Meiner Erfahrung nach, werden solche Briefe schon sehr ernst genommen. In manchen Häusern wird man sogar nochmal zum Gespräch geladen, bei dem dann möglichst auch Beteiligte anwesend sind.
Es tut mir sehr leid, dass du von mir nichts gehört hast. Normalerweise schreib ich kurz zurück, dass ich die Mail erhalten habe und es aber auf Grund der Fülle der Texte dauern wird. Das muss mir wohl durchgeflutscht sein. Entschuldige bitte!
Ich hoffe du wirst deinen Frieden mit dem Geschehenen finden und wünsche dir alles Gute!
Liebe Grüsse
Jana
Hallo Jana,
danke für den Kommentar. Ich hätte eigentlich auch damit gerechnet, dass du eine kurze Rückmeldung gibst, dann war es wohl wirklich ein Versehen. Alles gut!
Liebe Grüße, Katharina
Ein tolles und wichtiges Thema. Mich hat die Osteopathin zu Beginn der Behandlung meiner Tochter um einen Geburtsbericht gebeten. Nachdem ich ihn geschrieben hatte, habe ich gemerkt, wie wertvoll er war und ihn auch für mich und meine Tochter abgespeichert. Vor der zweiten Schwangerschaft hat mir eine befreundete Hebamme den Rat gegeben, meinen Geburtstbericht aus der Klinik anzufordern, weil sie den Eindruck hatte, ich müsse die Geburt weiter aufarbeiten. Das Gespräch dazu hat unglaublich gut getan und mich befreit. Und mich darauf vorbereitet, dass die zweite Geburt eine ganz andere sein würde.
Ich habe selbst eine schwierige Geburt mit meinem Sohn durch und kann bestätigen, dass danach erstmal Chaos im Kopf herrscht. Mir ist es damals schwergefallen die Geburt zu verarbeiten und darüber zu reden. Jedes Mal kamen mir die Tränen. Ich hatte glücklicherweise eine tolle Geburtshilfe, aber es war nichtsdestotrotz ein traumatisches Erlebnis.
Liebe Hannah und hattest du Unterstützung bei der Verarbeitung? Oder hast du das Schreiben zum Verarbeiten genutzt?
Liebe Grüsse
Jana
Hallo Jana,
ich hatte aufgrund sexualisierter Gewalt in meiner Jugend eine traumatische erste Geburt. Ich hatte das Erlebnis aus der Vergangenheit in meinem Hinterkopf gut verpackt. Zumindest die emotionale Schiene. Ich konnte darüber reden, fühlte aber nichts. Mir war nicht bewusst wie sehr das Erlebnis noch Einfluss auf mich hatte. Und das kam dann bei der Geburt meines Sohnes unkontrolliert und für mich völlig überraschend an die Oberfläche. Dazu kamen dann noch ein paar ungünstige Konstellationen in der Situation (zu routinierte Hebamme, die mich nicht sah, Sternengucker-Baby und Saugglocke). Und diese Kombi hat dann die Geburt für mich traumatisch werden lassen. Es dauerte einige Monate bis ich mich überwinden konnte meine Hebamme zu fragen, ob es normal ist, dass man dauernd weinen muss, einem die Geburt und die Gefühle nicht aus dem Kopf gehen und der Anblick des eigenen Babys so fremd und belastend ist manchmal. Bis dahin hatte ich aber meine Geburt auch schon schriftlich festgehalten. Es war irgendwie so ein paradoxes Bedürfnis in mir. Einerseits hatte ich das Gefühl, ich müsste dauernd drüber reden und mich mit dem Thema Geburt befassen, so als wäre sie noch nicht vorbei. Andererseits war da bei mir so eine Sperre, die alles in mir behalten wollte, um es nicht noch bewusster erleben zu müssen. Nach dem Gespräch mit meiner Hebamme habe ich dann Kontakt zu einer Traumatherapeutin aufgenommen und den Geburtsbericht aus der Klinik angefordert. Den Bericht konnte ich lange nicht lesen, weil ich sofort anfing zu zittern und Panik bekam. Mit meiner Hebamme ging das, aber es war wirklich heftig für mich. Bei der Traumatherapeutin redeten wir sehr viel, aber das Verhältnis wollte nicht so richtig gut gelingen und ich machte keine Fortschritte. Ich bekam Aufgaben für zu Hause, die mich überforderten, weil ich es nicht alleine schaffte mich anzunähern. Also wechselte ich irgendwann und bekam dann einen Platz bei einer Traumatherapeutin, die die Narrative Expositionstherapie anbietet, wo man eben alles aufschreibt und es dann gemeinsam bespricht, in die Gefühle und Erinnerungen geht, aber gemeinsam. Solange bis es gut ist. Und das war so so unglaublich hilfreich! Wir sind meine ganze Biografie durchgegangen, alles habe ich aufgeschrieben und jetzt ist mein Leben so klar. Durch das Aufschreiben und das angeleite Besprechen konnte ich alles so sortieren, dass selbst diese traumatische Geburt wieder Sonnenseiten hat. Auch der sexuelle Übergriff von früher ist nun nur noch eine Erinnerung. Und nun bin ich in der 37. Woche schwanger und wir erwarten unser zweites Baby, was ich nie für möglich gehalten hätte! Ich habe keine Flashbacks mehr, kann die Geburtstage meines Sohnes richtig mitfeiern. Die Geburt ist für mich trotzdem keine schöne Erinnerung, aber eine Narbe, die nicht mehr schmerzt. Ich kann nur allen Mamas raten sich selbst zu glauben, wenn das Gefühl aufkommt, dass etwas nicht stimmt und den Weg zu gehen noch einmal hinzuschauen. Das Schreiben ist ein toller Anfang und die Anleitung hier auf der Seite hätte mir sicherlich auch geholfen, wenn ich sie damals schon gefunden hätte.
Und es macht auch Sinn in der Klinik anzugeben, wenn solche schlimmen Erlebnisse in der Vergangenheit stattgefunden haben. Auch wenn man meint, dass sie nicht so schlimm sind. Die Kliniken bei uns in der Umgebung fragen oft nicht danach, um der Frau nicht zu nahe zu treten. Aber eine Geburt ist nahe und eine Ausnahmesituation. Es lohnt sich schon in der Schwangerschaft hinzufühlen, damit sowohl die Helfer als auch man selbst sich entsprechend verhalten und sich drauf einstellen können. Es ist nichts ungeschehen, nur weil man es ignoriert. Und auch der Gedanke “Ich sollte mich nicht so anstellen, anderen ist schlimmeres passiert” ändert nichts daran. Jeder hat eine andere Wahrnehmung, andere Stärken, andere Ressourcen, andere Grenzen. Rein nach dem Bericht war meine Geburt auch “nicht schlimm”. Es steht sogar immer wieder “Frau kommt gut zurecht”. Trotzdem war es nicht so. Und mein Leben hat nun wieder eine andere Qualität, mit der ich mich auf mein Kind/meine Kinder konzentrieren kann und nicht auf meine Vergangenheit, die ich dann auch noch auf mein Kind projiziere. Auch wenn es sich nicht so anfühlt, es ist schaffbar ein Trauma zu bewältigen!
Ich möchte alle Mamas ermutigen (oder auch Papas) diesen Mut aufzubringen und mit dem Schreiben anzufangen. Vielleicht für sich selbst oder in Begleitung. Vielleicht erstmal mit der Hebamme darüber zu sprechen oder sich einen Platz bei einem Traumatherapeutin zu suchen (nicht durch Wartezeiten entmutigen lassen!)