Geburtsbericht: „Punktlandung in tiefer Hocke“

Etwa nur 5% aller Babys werden am Errechneten Geburtstermin (ET) geboren. Es ist einfach nicht möglich, ganz genau vorherzusagen, wann sich ein Baby auf den Weg machen wird. Das ist normalerweise ja auch nicht so schlimm. Denn dann ist es – anstelle eines Zeitpunkts – einfach ein Zeitraum, auf den man sich einrichtet. Aber wie sieht die Sache aus, wenn das Paar in einer Fernbeziehung lebt, der Vater aber bei der Geburt dabei sein soll? Maja berichtete mir von der Geburt ihres Sohnes Tim, bei der sie zwei Wünsche hatte: Ihr Partner soll dabei sein und sie wollte auf keinen Fall im Liegen ihr Kind bekommen. Soll ich mal spoilern?! Siehe Titel… Maja schrieb mir noch, wie gerne sie Geburtsberichte anderer Frauen lese. Sie fänd es einfach total spannend, wie unterschiedlich Geburten verlaufen. Ich muss sagen, dass finde ich auch. 😉
Hier kommt der Geburtsbericht von Maja, mit kleinen Anmerkungen und diesmal neu: auch ein paar Nachfragen von mir, wie immer in lila:

Einen Tag vor dem Errechneten Geburtstermin

Freitag, 08:00 Uhr
Es steht der letzte reguläre Besuch bei meinem Frauenarzt an. Ab Montag hat er zwei Wochen Urlaub und ich werde zu einem anderen Arzt müssen. Das will ich nicht. Denn dann bin ich über dem Termin und muss alle zwei Tage hingehen und irgendwann wird über eine Einleitung gesprochen, alles ohne meinen Arzt. Ich fühle mich absolut unwohl mit dem Gedanken. Die Schwangerschaft verlief wie im Bilderbuch, es gab und gibt keine nennenswerten Probleme. Das Baby ist groß und kräftig (was wohl am Papa liegt, ich bin nur 1,65 Meter groß) und soweit man das durch den Bauch erkennen kann gesund und munter. Der Frauenarzt untersucht mich wie immer, macht ungefragt eine schmerzhafte Eipol-Lösung (was das ist, weiß ich allerdings erst Monate später) wünscht mir alles Gute und sagt, beim nächsten Mal sehen wir uns auf jeden Fall mit Baby.

Wenn der Muttermund schon ein wenig geöffnet und somit für einen Finger durchgängig ist, kann eine Eipollösung gemacht werden. Das heißt: Man löst die Eihäute (also die äußere Seite der Fruchtblase), die an der Gebärmutterwand kleben von dieser, um den Muttermund herum, ab. Die Fruchtblase bleibt dabei intakt. In den Eihäuten sitzen Prostaglandine, also Stoffe, die Wehen auslösen. Und tatsächlich ist diese Methode oft erfolgreich, wenn es um den Geburtstermin herum darum geht, die Geburt etwas anzukurbeln.
Allerdings ist eine Eipollösung meist eine schmerzhafte Angelegenheit und sollte daher natürlich mit der Frau besprochen werden.

Ich wünsche ihm und den Schwestern einen schönen Urlaub und fahre nach Hause.

Freitag, 09:00 Uhr
Dort angekommen rufe ich meine Mama an, berichte vom Arztbesuch, von meiner Enttäuschung (und Angst), dass ich ab Montag zu einem anderen Arzt muss und davon, dass ich gleich einen Kuchen backen werde, denn Tom kommt heute Nachmittag ja nach Hause. Wir leben noch in einer Wochenend-/Fernbeziehung, ich erwarte ihn gegen 15/16 Uhr.

Freitag, 10:00 Uhr
Irgendwie ziept es überall und ich bin unruhig. Der Abwasch fällt mir schwer und mit dem Kuchen habe ich noch gar nicht angefangen. Ich muss immer wieder Pausen einlegen. Sind das Wehen? Meine Mutter ruft nochmal an, sie hat vorhin vergessen, mich etwas zu fragen. Außerdem fragt sie, was mein Kuchen macht. Ich antworte, dass ich irgendwie zu nichts komme und leicht unruhig und rastlos bin. Naja, soweit, so gut. Dann eben kein Kuchen, ich lege mich auf’s Sofa vor den Fernseher.

Freitag, 12:00 Uhr
Ich bin kurz weggedöst, aber es wird nur schlimmer. Ich kann nicht still sitzen, liegen, stehen. Immer wieder muss ich mich aufrichten, abstützen. Ok, das sind dann wohl tatsächlich Wehen. Ich bin ganz alleine zuhause, es ist mein erstes Kind. Tom kommt erst in ein paar Stunden. Im Zweifel würde meine Mama mich zum Krankenhaus bringen, das haben wir schon vor Wochen so vereinbart. Ich überlege, ob ich sie anrufe, damit sie herkommt. Doch eigentlich möchte ich das nicht, Tom soll doch bei der Geburt dabei sein und nicht meine Mama. Sie ist wirklich nur die Notlösung.

Freitag, 15:00 Uhr
Absolut keine „Besserung“ in Sicht, ich habe deutlich Wehen und turne durch meine Wohnung. Ununterbrochen überlege ich, ob ich meine Mama anrufen soll. Ich rufe Tom an, erkundige mich, wie weit er schon ist. Er steht gerade im Stau. Ich verzweifle innerlich, behalte das aber für mich, wünsche ihm eine gute Weiterfahrt und wir legen auf.

Freitag, 16:00 Uhr
Tom ruft an, er ist bald da. Ich deute an, dass ich ihn zuhause gebrauchen könnte…

Freitag, 17:00 Uhr
Endlich kommt er durch die Tür. „Hallo Schatz, schön, dass du da bist, ich hab’ Wehen“ begrüße ich ihn. Er hatte wohl mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Immer wieder haben wir vorher darüber gesprochen, ob er überhaupt bei der Geburt dabei sein kann. Viele Geburten dauern lange und er würde genügend Zeit haben um herzufahren (4 Stunden mit dem Auto). Aber einige Geburten dauern auch nicht so lange und evtl. könnte er auch nicht sofort los. Wir wünschten uns beide, dass er dabei sein kann, aber die Chancen waren bei einer Wochenend-/Fernbeziehung einfach nicht die größten. Nun beginnt unser gemeinsames Wochenende und die Geburt scheinen wir gemeinsam erleben zu dürfen. „Müssen wir ins Krankenhaus?“ fragt er mich. „Keine Ahnung, ich weiß das nicht, das geht schon den ganzen Tag so, ich habe keine Ahnung“. Unsere Unsicherheit ist groß. Wir beschließen, noch ein wenig zu warten. Ich habe großen Hunger. Tom fährt also los und holt uns zwei Pizzen.

Freitag, 18:00 Uhr
Wir essen gemeinsam, bzw. ich versuche es. Ständig muss ich aufstehen und wirklich Appetit habe ich auch nicht. Nach zwei Stücken von der Pizza gebe ich auf.

Unter Wehen vergeht den meisten Frauen der Appetit. Auch wenn ich mir manchmal wünschte, manche Frauen könnten sich noch einmal etwas stärken.

Wir beschließen, im Kreißsaal mal anzurufen. Ich wollte zwei Dinge auf keinen Fall: 1. Zuhause gebären und 2. zu früh ins Krankenhaus. Am Telefon werden uns viele Fragen gestellt und schlussendlich wird uns leider nicht deutlich gesagt, was wir machen sollen. Naja, so eine Ferndiagnose ist nun auch viel verlangt. 😉 Wir entscheiden uns aber dafür, hinzufahren. Es sind nur 300 Meter und uns wurde gesagt, wir können auch wieder zurück nach Hause, wenn wir wollen und es wirklich zu früh sein sollte.

Freitag, 19:00 Uhr
Nach 300 Metern Autofahrt stehen wir auf dem Parkplatz der Notaufnahme und nach dem Aussteigen breche ich erstmal in Tränen aus. „Wir bekommen ein Baby“ stelle ich fest. Tom tröstet mich und mit verheultem Gesicht gehen wir also rein. Ich komme mir ganz schön bescheuert vor, aber eigentlich sind mir die Blicke auch egal. Im Kreißsaal angekommen geht es erstmal in ein Besprechungszimmer. Eine Hebamme begrüßt uns, stellt Fragen, untersucht mich. Weiter zu einer Frauenärztin, sie macht einen Ultraschall. Uns wird gesagt, dass der Muttermund fingerbreit offen ist und die Geburt sich auch wieder einstellen kann. Vielleicht kommt heute noch was, vielleicht dauert es noch eine Woche. Reif für den Kreißsaal sind wir jedenfalls nicht und wenn wir wollen, können wir wieder nach Hause fahren.
Enttäuschung. Da war sie. Genau das, wollte ich nicht. Ins Krankenhaus fahren um gesagt zu bekommen, dass das alles nichts ist. Die Frauenärztin sieht mir meine Enttäuschung an und sagt, dass wir auch in einer Stunde wieder herkommen können, wenn wir das möchten. Das sei überhaupt kein Problem. Sie redet mir gut zu. Außerdem bekomme ich zwei Tabletten Buscopan Plus damit ich hoffentlich ein wenig zur Ruhe kommen und schlafen kann.

Freitag, 20:30 Uhr
Wir sind also wieder zuhause und ich will ins Bett. Der Tag war anstrengend und ich bin müde und kaputt. Ich überlege, ob ich die zwei Tabletten nehme. Ja, rein damit. Tom ist nicht müde und nimmt seinen Laptop mit ins Bett. Ich versuche zu schlafen, doch ich komme überhaupt nicht zur Ruhe. Ständig richte ich mich auf, knie auf allen Vieren im Bett, ich habe Wehen. Wie soll man denn dabei schlafen? Und wieso ist das nichts? Wie schlimm wird das denn noch? So geht es eine ganze Zeit und ich will zurück ins Krankenhaus. Also nochmal Schuhe an und los. Nun habe ich deutliche Schwierigkeiten im Auto zu sitzen, eigentlich geht es gar nicht. Tom soll nicht so schnell fahren, aber langsamer geht es wirklich nicht, sagt er. Ja, ich sehe das auch, hätte ich keine Wehen, wären wir zu Fuß schneller. Aber bitte, fahr nicht so schnell…

Freitag, 22:00 Uhr
Da starrt sie mich wieder an, die große Digitaluhr auf dem Gang zum Kreißsaal. Ich muss alle paar Meter Pause machen, da wieder eine Wehe kommt. Die Tür vom Kreißsaal geht auf, eine Hebamme lächelt uns an, ich komm gleich… Wir erklären, dass wir vorhin schonmal da waren, die Hebamme nickt, sie weiß Bescheid. Es geht dieses Mal ungefragt direkt in einen Kreißsaal. Dort werde ich nach kurzer Zeit von der Hebamme untersucht. „Sieben Zentimeter Muttermund! Toll!“ strahlt sie mich an. „Was?! Oh Gott!“ denke ich mir innerlich. Nun geht es also doch los. Wann der errechnete Termin ist, werde ich gefragt. Morgen… Wie das Baby heißen soll. Tim…
Nun startet sie also, die angekündigte Turnstunde aus dem Vorbereitungskurs. Ich hocke auf allen Vieren, stehe vorm Bett, liege im Bett und stehe wieder auf. Die Wanne habe ich abgelehnt (obwohl ich mir vor Monaten noch eine Wassergeburt gewünscht habe), da ich das Gefühl habe, dass mein Kreislauf ein wenig instabil ist. Bloß nicht in die Wanne, denke ich mir. Komisch, wie man seine Meinung plötzlich ändert.

Das ist toll, dass du so flexibel sein konntest. Es ist immer gut sich unter der Geburt alle Optionen offen zu halten, damit einen genau so eine Situation nicht aus der Bahn wirft. Manche Frauen sind dann so enttäuscht, dass sie komplett aus dem Konzept geraten.

Wir turnen also fröhlich durch den Kreißsaal, ich bin schon lange laut. Tom hält tapfer meine Hände fest und bereut wohl, dass er keinen Gehörschutz dabei hat.
Meine Fruchtblase sei immer noch zu, sagt die Hebamme, das blockiert gerade ein wenig den Geburtsfortschritt. Sie will sie öffnen. Ich liege also auf dem Bett und bei der nächsten Wehe macht sie sie auf. Interessantes Gefühl, das warme Wasser an den Beinen.

Nachgefragt: Wie fandst Du es, dass die Fruchtblase durchtrennt wurde? Waren die Wehen danach kräftiger? Warst Du froh, dass es dadurch schneller ging? Oder hättest Du lieber im körpereigenen Tempo weiter gemacht?

Das Öffnen der Fruchtblase war ein komisches Gefühl, da mir danach das ganze warme Fruchtwasser in einem Schwall über die Schenkel lief. Vollkommen unkontrolliert lief dieses warme Wasser aus mir raus. Ich muss dazu sagen, dass ich bis dahin gar nicht wusste, dass die Fruchtblase noch nicht offen war. Ich wurde gefragt und ich konnte es kaum beantworten, da schon den ganzen Tag immer wieder ein bisschen Flüssigkeit abging. Das war wohl Urin, aber das wusste ich nicht. Bei Baby Nr. 1 ist man trotz umfassender Aufklärung teils doch so ahnungslos…
Ob die Wehen danach kräftiger waren, kann ich leider gar nicht mehr sagen, ich erinnere mich nicht. Ich empfinde die Geburt im Nachhinein als sehr schnell (obwohl ich mich bewusst daran erinnere, dass ich das an dem Tag anders gesehen habe. “Wann ist das endlich vorbei? Aua…!”) Und trotzdem fand ich es gut, dass die Hebamme durch die Öffnung der Fruchtblase nachgeholfen hat. In meinen Augen war das keine schwerwiegende Indikation oder so, sondern wirklich eine Hilfe. Dafür sind Hebammen da. Es erforderte keine Medikamente oder Werkzeug, sie hat es mit den Fingern gemacht.

Geburtstag und Errechneter Termin

Wir turnen fröhlich weiter, mittlerweile ist es schon nach Mitternacht. Die Schmerzen sind enorm, dass ist wirklich Wahnsinn. Schmerzmittel möchte ich aber immer noch keine. Ich hatte mehr Angst vor Nadeln, als vor dem Geburtsschmerz und sagte mir immer wieder, die Natur hat das schon so eingerichtet, dass man (Frau) das aushalten und vergessen kann. Darauf vertraute ich. Zwischendurch ist eine andere Hebamme bei uns im Kreißsaal, ich bekomme das kaum mit. Sie haben alle drei Kreißsäle belegt, alle Frauen mit gleichem Befund. Es ist also eine arbeitsintensive Nacht für die Hebammen und Ärzte. Aber in den anderen Kreißsälen sind Mehrgebärende, bei denen geht das schneller, lacht mich die Hebamme an. Na danke. Man kann das Geschrei der andere Frauen hören…

Samstag, 02:30 Uhr
Wir gehen rüber in die hintere Ecke des Raumes, Tom soll sich in den Sessel setzen, ich mich davor auf den Gebärhocker. Es hängt ein Tuch von der Decke, da soll ich mich festhalten. Wir machen alles mit, was die Hebamme uns sagt. Der Hocker passt nicht so richtig, er wird wieder weggenommen. Ansonsten bleibt die Position so: Tiefe Hocke!
Presswehen setzen ein, der Kopf wird geboren. Krass, ich hatte nicht ansatzweise damit gerechnet, dass dieser Schmerz noch heftiger werden kann. Ich kreische (Hallo und Herzlich Willkommen im Kreißsaal). Die Ärztin sitzt auf einem Stuhl und schaut zu. Die Hebamme stöhnt mit mir die Wehenpause durch (Danke, ich hatte mittlerweile alles vergessen!) und mit der nächsten Wehe wird mein Sohn geboren.

Nachgefragt: Warst Du überrascht, dass der Kopf so schnell kam? Oder war es vom Einsetzen der Presswehen bis zur vollständigen Geburt gar nicht so lang?

Ja, ich war deutlich überrascht. Dadurch, dass wir viel im Kreißsaal unterwegs waren, war mir vor allem nicht klar, dass der Umzug in die Raumecke auf den Hocker an’s Seil die “Endstation” sein sollte, die die Hebamme sich für uns überlegt hatte. Ich bin da rüber gegangen und habe wirklich nur gemacht, was sie gesagt hat. Ohne Denken. Und zwischen Einsetzen der Presswehen und Geburt des Kindes ist gefühlt nicht eine Minute vergangen. Tatsächlich war es wohl mehr Zeit, aber das habe ich kaum noch in Erinnerung. Mein Freund auch nicht. Plötzlich war der Kopf da, dann eine Wehe veratmen und schwupps war auch der Rest vom Kind draußen. Das ging gefühlt unwahrscheinlich schnell. Der passende Gebärhocker kam ja auch erst danach.
Da liegt er nun vor mir, ich hänge noch an diesem Seil. Wahnsinn!

Nachgefragt: Was habt Ihr gedacht und gefühlt als er dann da war?

Huch, das war’s? 😉 Mein erster Blick ging zum Geschlechtsorgan. Prüfen, ob es wirklich ein Junge ist. Ich hatte so oft geträumt, dass der Arzt sich beim Ultraschall verguckt hat. Hat er nicht, es ist tatsächlich ein Junge. Und nun habe ich also ein Baby, ein Kind, ich bin Mutter. Und ich bin ganz schön k.o. Das war echt anstrengend, ich will mich setzen, ich habe keine Kräfte mehr. Und eigentlich traute ich mich auch gar nicht, das Baby anzufassen. Ich habe bis dahin noch nie ein Baby angefasst. ICH bin Mutter. Wahnsinn.

Sehr häufig war im Freundeskreis die Frage aufgekommen, ob die Schwangerschaft ein Unfall war oder geplant (sie war geplant/gewünscht). Ich bin eher diejenige, von der man als Letztes erwartet hat, dass sie Mutter wird. Ich hatte bis dahin mit Kindern, mangels Interesse, nichts am Hut. Tja, und nun lag es da vor mir… 🙂

Ich setze mich in die „Geburtspfütze“, die Hebamme fragt Tom, ob er die Nabelschnur durchschneiden möchte, er lehnt ab. Er weint. Ich soll die Nabelschnur anfassen, sie pulsiert heftig. Die Hebamme hat die Nabelschnur dann auspulsieren lassen.

Nachgefragt: War Dein Mann so geschockt, dass er die Nabelschnur nicht durchtrennen wollte, oder gerührt, oder…?

Wir haben im Vorfeld darüber gesprochen und da sagte er schon, dass er die nicht unbedingt durchtrennen muss. Er legte einfach keinen Wert darauf und mir war das egal. Im Nachhinein hätten wir es auch unpassend gefunden. Er saß ja nun hinter mir im Sessel, Tränen in den Augen. Er hätte aufstehen und an mir und dem ganzen Blut, Wasser etc. vorbeiturnen müssen (oder die Nabelschnur vor meinem Gesicht zerschneiden müssen). Man hätte es natürlich auch im Bett machen können, aber so wichtig war uns das halt nicht.

Dann werde ich gefragt, ob ich mein Baby haben möchte. Ja, bitte. Die Hebamme gibt mir mein Baby und ich kann es kaum fassen. Da ist es. Was für ein überwältigendes Gefühl. Die Schmerzen sind vergessen. Die Tür vom Kreißsaal geht auf, eine andere Hebamme bringt einen anderen Hocker. Danke, den brauchen wir nicht mehr, erklärt meine Hebamme lächelnd. Die Nachgeburt bekomme ich auf dem Bett und dann wird unsere kleine Familie erstmal alleine gelassen. Irgendwann werde ich auch noch genäht (Scheiden- und Labienriss, 37 cm Kopfumfang haben alles gesprengt), aber ich weiß schon gar nicht mehr genau, wann das war.

Ich danke der Hebamme für die tolle Unterstützung und dafür, dass ich mein Kind nicht im Liegen bekommen musste. Das war neben Spritzen und Nadeln die zweite große Angst.

Nachwort

Tom und ich wohnen mittlerweile zusammen, seit Tim sechs Wochen alt ist. Die Fernbeziehung während der Schwangerschaft und in der ersten Zeit würde ich so nicht unbedingt wiederholen wollen, aber zeitlich lassen sich Schwangerschaft und Geburt nunmal schwer planen. Und schlussendlich habe ich die ersten sechs Wochen alleine mit dem Baby auch überstanden. Andere Frauen befinden sich leider in der Lage so etwas noch viel länger alleine durchzuziehen. Da kann und will ich also absolut nicht klagen.

Die Geburt war ein wunderschönes Erlebnis. Ich hatte mir wenig Vorstellungen im Vorfeld gemacht. Jedoch habe ich mich sehr umfassend über alles Mögliche informiert und bin recht angstfrei an die Sache herangegangen.

Liebe Maja, vielen Dank für deinen schönen Bericht!

Es ist ja für jedes Paar aufregend, nicht zu wissen, wann die Geburt startet. Bei einer Fernbeziehung ist das natürlich noch einmal besonders.
Tatsächlich ist es sehr oft so, dass das Baby quasi „wartet“, bis der Papa dann auch da ist. Zumindest habe ich es in so einem Fall noch nie erlebt, dass der Vater die Geburt verpasst hat. Bei Maja und Tom war es sogar so, dass ihr Sohn sich nicht nur netterweise an einem Wochenende auf den Weg gemacht hat, so dass der Vater dabei sein konnte, sondern auch noch genau am Errechneten Termin zur Welt kam. Punktlandung eben.

#Punktlandung

Und wie knapp war es bei euch? Wer kennt das noch, dass das Baby wartet bis alles so ist, wie es sein soll?

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

Mehr über mich →

11 Kommentare
  1. Avatar
    Frl. Null.Zwo sagte:

    Was für eine tolle Geburt! Und eine wirkliche Punktlandung- so lange alleine bleiben hätte ich mich beim 1. Kind nicht getraut!
    Kleine Anmerkung: eine Eipollösung muss nicht weh tun! Ich habe bei Kind 2 und 3 eine bekommen und davon kaum etwas gemerkt, schon gar keine Schmerzen!

    Liebe Grüße, Susanne

    Antworten
  2. Avatar
    Nathalie sagte:

    Ich kann mich da gut rein empfinden. Ich bin in der 25 ssw mit zwillingen schwanger. Aufgrund der Arbeit meines Mannes kommt er auch immer erst Freitags. Und bei Zwillingen ist die Zeitspanne ja noch viel größer. Ich bin sehr gespannt wie es dann letzten endlich los geht

    Antworten
  3. Avatar
    Sabrina sagte:

    Sehr schöner Bericht und auch toll geschrieben. 🙂
    Mein erster Sohn kam vier Tage nach ET, aber mein Zweiter war auch eine Punktlandung am ET. 😉

    Antworten
  4. Avatar
    Gesa sagte:

    Was für ein passender Bericht. Mit fünf Tagen zum ET und dem großen Wunsch, noch übers Wochenende auszuhalten, wäre ich von so einer Punktlandung wirklich begeistert. Bei den ersten beiden Kindern hat es auch geklappt, dass sie sich meinem Wunsch gebeugt haben und die Umstände alle perfekt waren. Dieses Kind kann aber nur noch raus, so tief ist es bereits. Bin sehr gespannt, ob mein “Plan” aufgeht. 😉

    Antworten
  5. Avatar
    Sabine sagte:

    Kind1 hat auch gewartet, bis mein Mann von der Dienstreise zurück war und Kind2 hat sich den einzigen Tag ausgesucht, der nicht schon durch einen anderen Geburtstag vorgelegt war.

    Antworten
  6. Avatar
    lotti sagte:

    Meine erste tochter hat auch brav gewartet, bis papa da war . Zu Ostermontag gleich morgens 🙂 2wochen zu früh, aber das war die letzte Möglichkeit für den papa.und da wir eine super schnelle geburt hatten von 1//2 stunden musste alles halt so kommen.

    beim zweiten kind hatte ich auch ne eipol Lösung.aber habe gar nix davon gemerkt.so unterschiedlich ist es halt.

    Antworten
  7. Avatar
    Judith sagte:

    Das ist wirklich mal ein schöner Geburtsbericht.
    Unsere Tochter kam 10 Tage nach dem ET. Ich war zu dem Zeitpunkt aber auch noch nicht bereit und war froh, dass sie sich noch soviel Zeit ließ. Letztendlich waren wir nur 1,5 h im Kreißsaal, weil da alles gepasst hat.

    Antworten
  8. Avatar
    Ira sagte:

    Meine Fruchtblase wurde auch durchtrennt. Einige Tage nach der Geburt hatte ich das Bedürfnis darüber zu sprechen und zu verarbeiten. Ich sah das als Intervention in den Geburtsverlauf, obwohl ich diesem zugestimmt habe. Das war die 2. Geburt nach einer schönen spontanen Geburt meiner Tochter ohne PDA und anderen Interventionen. Die Hebamme hat mich dreimal gefragt, ob sie die Fruchtblase öffnen soll. Zweimal habe ich abgelehnt. Nachdem außer den schwachen aber immerhin schmerzhaften Wehen nichts passierte, fragte die Hebamme mich erneut, ob ich doch möchte. Sie sagte, wenn sie die Fruchtblase öffnet, kommt das Kind sehr bald. Wenn nicht, dann kann die Geburt sowohl kurz als auch lang dauern. Ich habe mich dafür entschlossen, die Fruchtblase öffnen zu lassen. Im Nachhinein bereue ich ein bisschen, dass ich die Geburt beschleunigen ließ. Das Kind kam tatsächlich innerhalb von 10 bis 15 Min. schön im Vierfüsslerstand. Zu diesem Thema habe ich nur wenig Informationen im Internet gefunden, daher schreibe ich hier darüber. Ist die Öffnung der Fruchtblase Intervention? Wieso hat sie das gemacht? Wie lange hätte die Geburt sonst gedauert? Eigentlich wollte ich alles selbst schaffen. (Und auf gar keinen Fall mit PDA oder Keiserschnitt). Die Hebamme hat auch keinen Druck gemacht, halt nur angeboten. Die Tatsache, dass mir geholfen wurde, lässt mich doch nicht in Ruhe.

    Antworten
    • Avatar
      Jana Friedrich sagte:

      Das ist eine schwierige Frage. Grundsätzlich ist es eine Intervention, die Fruchtblase zu öffnen. Und in den allermeisten Fällen, halte ich es für keine gute Idee. Besser ist es meistens abzuwarten. Beim Eröffnen der Fruchtblase werden Prostaglandine frei gesetzt, die die Wehentätigkeit verstärken. Daher werden die Wehen nach einem Blasensprung, oder eben einer Blasensprengung stärker empfunden.
      Aber…
      Manchmal ist es so, dass die Geburt schon sehr weit vorangeschritten ist und die Wehentätigkeit abnimmt. Auch dann kann man warten. Das kann aber zermürbend sein, denn die vorhandenen Wehen werden ja trotzdem gespürt und auf Dauer wird es dann zäh, wenn es einfach über einen langen Zeitraum nicht voran geht. Dann gibt es drei Möglichkeiten:
      * Man wartet und lässt der Natur ihren Lauf (was wie gesagt sehr anstrengend und langwierig sein kann).
      * Man nimmt einen Wehentropf zur Unterstützung.
      * Man öffnet die Fruchtblase, wodurch Wehen noch mal auffrischen.
      Manchmal kann das Eröffnen der FB das kleinere Interventionsübel sein.

      In deinem Fall, finde ich es OK. Ich würde mir an deiner Stelle keine Vorwürfe machen. Es war keine schlimme Intervention. Vielleicht ging es ein bisschen schneller dadurch. Aber wer weiß, vielleicht währe die FB in der nächsten Wehe auch von allein geplatzt.
      Gräme dich nicht. Alles gut. <3
      Liebe Grüße & alles Liebe
      Jana

      Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse mir deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert