Buchtip: “Wie Kinder heute wachsen”
Text enthält Affilliate Links*
von Herbert Renz-Polster & Gerald Hüther
Heute erscheint das neue Buch „Wie Kinder Heute Wachsen“ von Herbert Renz-Polster, Kinderarzt und Gerald Hüther, Hirnforscher.
Durch den Blog bin ich eine der glücklichen, die das Buch vorab lesen durften. Und ich muss sagen, ich habe es regelrecht verschlungen. Zwar beschäftigt sich nur ein kleiner Teil mit den ganz kleinen Kindern, die also in meinen Bereich fallen. Aber selbst da eröffnete sich mir eine kleine Fundgrube an nützlichen Argumentationshilfen für meine Arbeit mit frisch gebackenen Familien.
Babys unter Nomaden
Besonders eine These, die ich bereits mit meinen aktuellen Wöchnerinnen teilte, finde ich ganz besonders anschaulich:
Renz-Polster bescheinigt unseren Babys noch die gleiche Programmierung, wie den Babys vor etwa 4.000 Jahren. Also bevor die Menschen größtenteils sesshaft wurden und bevor wir in festen Behausungen, mit stabilen Wänden, abschließbaren Türen und Zentralheizungen lebten. Ist es da ein Wunder, dass unsere Babys nicht alleine schlafen möchten? Damals hätte ein irgendwo abgelegtes Baby ganz schlechte Karten gehabt: Nächtliche Temperaturschwankungen, wilde Tiere… Nur ein Kind, das die ersten drei Jahre ständige Nähe und Zuwendung erhielt, hatte unter nomadischen Bedingungen, gute Überlebenschancen.
Noch ein Lesetip: Wer übrigens Lust hat, sich mehr mit der evolutionären Prägung von Kindern zu beschäftigen, dem kann ich Renz-Polsters Buch: „Kinder verstehen. Born to be wild.“ empfehlen!
Plädoyer für freies, unstrukturiertes Spielen
Es geht also um die Entwicklung von Kindern, warum sie so funktionieren, wie sie es nun einmal tun, und welche gigantische Rolle die Natur dabei spielt.
Herr Renz-Polster legt dabei einen roten Faden durch das Buch und Herr Hüther ergänzt jedes Kapitel um einen Blick in’s Gehirn. Abgerundet wird das Ganze durch kleine Zitate. Vom philosophischen Ausspruch bis zum Zeitungsartikelausschnitt ist alles dabei.
Das Buch wird all denjenigen eine gute Stütze sein, die jenseits von Lernstress und Frühförderwahn einen Weg suchen, ihren Kindern einen optimalen Entwicklungsraum zu bieten. Dabei hält es quasi ein Plädoyer für das freie, unstrukturierte Spielen im Freien und in der Natur.
Buch und Wirklichkeit
Immer wieder hatte ich beim Lesen kleine Aha-Effekte: Welche Kinderbücher lieben wir am meisten? Die rote Zora, Pipi Langstrumpf, Momo, Tom Sawyer stehen bei uns ganz hoch im Kurs. Also die Bücher, in denen Kinder völlig autark, kleine oder größere Abenteuer erleben. Sie ziehen mit Freunden los und bewältigen Situationen allein. Erlauben wir unseren Kindern auch nur einen Bruchteil dieser Freiheit?
Welche Geschichten aus unserer Kindheit erzählen wir wieder und wieder mit leuchtenden Augen? Die, in denen wir uns ohne die Hilfe von Erwachsenen, nur mit unseren Freunden gemeinsam aus spannenden Situationen allein herausmanövrieren konnten. Dürfen unsere Kinder solche Situationen kennenlernen? In Echt? Nicht nur auf Bildschirmen?
Auch als Mutter einer Teenie-Tochter bekam ich Anregungen, die ich sicher im Alltag umsetzen kann. Aber ich will hier nicht zu viel verraten. Vielleicht liest sie mit. 😉
Da Herr Hüther einer der Autoren ist, geht es abgesehen von den reellen, auch um die virtuellen Welten. Wer ihn kennt weiß, dass das sein Steckenpferd ist. Allzu frühe Medienkompetenzschulungen werden also stark in Frage gestellt. „Das große Draußen“ lässt sich eben nicht hinter den Bildschirmen finden.
Alles in Allem kann ich euch das Buch wärmstens empfehlen. Mein eigenes Lese-Exemplar ist jedenfalls schon von mehreren Freundinnen „vorbestellt“.
Über die Autoren
Renz-Polster, Herbert. Dr. med., geb. 1960, vier Kinder, ist Kinderarzt und Wissenschaftler am Mannheimer Institut für Public Health der Universität Heidelberg. Seine Werke „Kinder verstehen. Born to be wild: Wie die Evolution unsere Kinder prägt“ (6. Auflage 2013) sowie “Menschenkinder – Plädoyer für eine artgerechte Erziehung” (2. Auflage 2012) gehören zu den meist gelesenen Elternbüchern. Kontakt über: Kinder-verstehen.de.
Hüther, Gerald, Dr. rer. nat. Dr. med. habil. ist Professor für Neurobiologe an der Universität Göttingen. Wissenschaftlich befasst er sich mit dem Einfluss früher Erfahrungen auf die Hirnentwicklung, mit den Auswirkungen von Angst und Stress und der Bedeutung emotionaler Reaktionen. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und populärwissenschaftlicher Darstellungen (Sachbuchautor). Kontakt über: Gerald-Hüther.de.
🙂 Jaaaa, die Kindheit von Früher! Mit der Kinderhorde der Nachbarschaft die Garagen der Väter leer geräumt und losgezogen in die kleinen Wäldchen. Da wurden dann Buden gebaut 🙂 5 Freunde nachgespielt und Abenteuer erschaffen.
Kindheit heute: Mein Sohn (9) muss regelmässig bei BESTEM Wetter Kinder rausklingeln gehen, vom Elektro-Babysitter wegargumentieren (wir besitzen weder TV noch viel Elektro-Kram aus Überzeugung! Solang es vermeidbar ist bleibts WEG!) und oft kommt er frustriert rein, weil niemand draussen spielen will. Tlw. die ELTERN sagen “es ist zu kalt, die Kinder werden krank” !!! weil es “nur” 7 Grad sind (aber trocken!). Statt Wind- und Wetterkleidung zu kaufen, bekommen die Kinder neue Spiele für Wii und wie das alles heißt…
Wurde übrigens am Elternabend in der weiterführenden Schule klar bemängelt und aufgeklärt, dass Medienerziehung Elternsache ist 🙂
LG,
Tina
Natürlich aufwachsen, spielen im Freien und unbeschwerte Kindheit. Einfach herrlich.
Klingt wirklich nach sinnvollem Inhalt, danke für den Tipp!
Wie wenig vorgefertigtes Kinder benötigen, stellt man vor
Allem immer wieder aufs Neue in der natürlichen Umgebung fest!
Im freien Spiel erfahren Kinder allerhand Kompetenzen aus erster Hand und Erlangen sie aus eigener Motivation! Was kann es besseres geben!
Hierbei fällt mir ein Vortrag von Manfred Spitzer ein, den ich dieses
Jahr besucht habe: ‘Digitale Demenz’! Sein Buch trägt ebenfalls diesen Titel!
Liebe Grüße,
Steffi