Unerfüllter Kinderwunsch: Der Weg eines lesbischen Paares
Ein unerfüllter Kinderwunsch ist in der Biographie vieler Frauen eine offene Wunde. Der Versuch ein Kind zu bekommen gestaltet sich oft schwer, wird zum emotionalen und physischen Kraftakt. Von meinen betreuten Familien habe ich schon viel darüber erfahren, wie es ist, Sex nach dem Zykluskalender zu haben, permanent mit dem Zwangsgedanken zu leben, jetzt aber endlich ein Kind zeugen „zu müssen“, in sterilen Klinikräumen diverse Untersuchungen oder gar Kinderwunschbehandlungen über sich ergehen zu lassen und nicht zuletzt: Sich nicht als vollwertige Frau zu fühlen. All das durch zu machen ist unglaublich belastend. Vor allem, da einem – bei aller Anstrengung – nie ein positiver Ausgang garantiert wird. Heterosexuelle, verheiratete Paare haben es da noch vergleichsweise einfach, denn für sie gibt es ja immerhin Optionen, die teilweise sogar von den Krankenkassen abgesichert sind. Um wie viel schwieriger muss es da erst für homosexuelle Paare sein den Kinderwunsch zu erfüllen? Sie haben, zusätzlich zum finanziellen, ein grundlegend biologisches Problem, das in der Natur der Sache liegt, zu lösen.
Rebecca, eine Leserin des Hebammenblogs, hat mir von ihrer Kinderwunsch-Odyssee berichtet und lässt euch so an ihrer bedrückenden aber spannenden Geschichte teilhaben. Das Ende ist offen und hat mich sehr nachdenklich gestimmt.
(Anmerkungen in lila, sind von mir eingestreute Hintergrundinfos und Kommentare.)
Kinderwunsch
Mit meiner Partnerin war ich bereits seit 6 Jahren zusammen, als wir beschlossen zu heiraten. Wir hatten uns gerade aus einer sehr schlimmen Phase unseres Lebens herausgekämpft, und zum ersten Mal war am Ende des Monats ein wenig Geld übrig. Mit dem Wunsch endlich zu heiraten, kam gleichzeitig auch der Wunsch nach einem Baby auf. Als wir zusammen kamen, hatte meine Frau zwar bereits ein Kind im Alter von 3 ½ Jahren aus ihrer ersten Ehe, aber dennoch entwickelte sich bei mir das Verlangen nach einem eigenen Baby. Insbesondere wollte ich gerne eine eigene Schwangerschaft und Geburt erleben. Und da ihr Sohn uns auch regelmäßig um ein Brüderchen bat, stand der Plan: Nach der Hochzeit wollten wir uns den Wunsch eines gemeinsamen Kindes erfüllen.
Kleine Schritte
Wir ließen uns für die Hochzeit ca. 1 ½ Jahre Planungs- und vor allem Geldsparzeit. Zeit, in der ich mich, neben der Hochzeitsplanung, auch immer wieder mit der Babyplanung beschäftigte. Denn: Zwei Frauen – jeder weiß, so einfach ist das nicht, und erst recht nicht in Deutschland. Also habe ich mich online nach den verschiedenen Möglichkeiten erkundigt. Dabei stieß ich immer wieder auf Spermaspender-Seiten. Zu dem Zeitpunkt fand ich die (noch) irgendwie dubios und abstoßend. Schließlich entdeckte ich aber eine Klinik in Dänemark, die bei lesbischen Paaren, oder auch alleinstehenden Frauen, Inseminationen durchführt. Die nächsten Wochen war ich täglich auf diesen Seiten unterwegs und habe mich erkundigt, was ich nun alles selbst tun kann und muss, um beste Voraussetzungen zu schaffen. Wir haben sämtliche Kinderwunsch-Infoseiten abgeklappert: Was isst man? Was trinkt man? Welche Medikamente nimmt man? Und je mehr ich las, umso größer wurde mein Kinderwunsch. Als es bis zur Hochzeit noch gut ein halbes Jahr hin war, wurde mein Wunsch so groß, dass ich nicht mehr länger warten konnte: Wir beschlossen einen ersten Versuch zu wagen. Nun hieß es also nicht mehr nur zu lesen, sondern auch zu handeln. Bedeutet: Schnell den Fertilitätsmonitor gekauft, um den Zyklus zu messen; her mit dem Kinderwunsch-Tee, für die erste und die zweite Zyklushälfte, und schnell das Essen auf „KiWu-Essen“ umgestellt.
Der Kinderwunsch-Tee soll in der ersten Zyklushälfte die Follikelreifung unterstützen. Die Mischung für die zweite Zyklushälfte fördert die Gelbkörper- und Einnistungs-Phase der Eizelle. Essen sollte man (wie immer) möglichst ausgewogen. Speziell zu empfehlen ist bei der Kinderwunsch-Planung die Einnahme von Folsäure.
Der erste Versuch
Vier Monate vor der Hochzeit war dann alles soweit. Der Kontakt mit der Klinik in Dänemark stand.
Auf der Webseite von ProFamilia werden die Hintergründe, weshalb die künstliche Befruchtung, trotz Gleichstellung für lesbische Paare, in Deutschland immer noch so schwierig ist, erklärt.
Meinen Zyklus hatte ich zwei Monate lang probemäßig gemessen und alles war quasi perfekt. Wir kamen gerade von einem Wochenend-Campingtrip nach Hause, als ich am Abend mit einem digitalen Ovulationstest gemessen habe. Und da war er, der Smiley, der mich anlachte und mir mitteilte, dass es soweit war: Ich hatte den erwarteten Eisprung. Ganz aufgeregt habe ich eine Arbeitskollegin kontaktiert, damit sie auf der Arbeit eine Ausrede für mich erfindet. Dann ab ins Bett und ein wenig schlafen. Der Weg von uns aus nach Dänemark ist weit. Es dauert acht Stunden, wenn man keine Pausen macht; und die Klinik hat nur bis 15 Uhr geöffnet. Morgens um fünf Uhr saßen wir im Auto. Widererwartend kamen wir ziemlich problemlos in der Klinik an. Dort wurde mittels Ultraschall der perfekte Zeitpunkt bestätigt. Die Insemination wurde durchgeführt. Danach ab ins Auto und zurück nach Hause. Völlig übermüdet und ein bisschen erkältet, kamen wir zu Hause an. Alles klappte wie am Schnürchen.
Nicht schwanger
Nach 14 Tagen bangen und bibbern und mehreren negative Frühtests aus Ungeduld, kam dann meine Menstruation. Trotzdem bin ich nochmal zur Frauenärztin gegangen, die leider bestätigte, dass ich nicht schwanger war. Ein tiefes Loch tat sich für mich auf. Ich war so zuversichtlich gewesen und doch hatte es nicht geklappt. Das viele Geld war einfach weg. In einem fruchtlosen Versuch versenkt. Aber dann haben wir uns gesagt, dass es wohl noch nicht die richtige Zeit war: Wir sollten wohl bis nach der Hochzeit warten.
Kopfkino
Das habe ich genau zwei Tage lang gedacht. Doch dann ging es nicht anders: Ich musste es einfach sofort weiter versuchen. Da wir die Hochzeit noch vor uns und dafür all unser Geld verplant hatten, war ein weiterer Versuch in Dänemark erst mal ausgeschlossen. Erneut knapp 700,- € waren einfach nicht drin.
Sperma aus dem Netz
Also war ich dann doch auf den Spermaspender-Seiten unterwegs. Diese kamen mir immer noch dubios vor, aber ich konnte nicht anders: Ich meldete mich auf einer Seite an. Und, wie erwartet, gab es einige unschöne Angebote. Aber es gab auch einen Spender, der mir recht seriös erschien. Mit diesem mussten wir uns nun schleunigst treffen, damit wir Versuch Nummer Zwei direkt im nächsten Zyklus starten konnten. Der Spender kam uns freundlich vor. Er wollte auch kein Geld für die Spende, sondern tat dies, nach eigenen Angaben, um Frauen zu ihrem größten Wunsch zu verhelfen. Er hatte sogar ein recht aktuelles AIDS-Testergebnis dabei. Wir durften es uns anschauen, aber ohne seinen Namen darauf zu sehen. Wir wollten jeweils anonym bleiben. Und auch wenn meine Frau ihn eher unsympathisch fand, hatte er doch wenigstens die äußerlichen Merkmale, die uns wichtig waren: Braunes Haar und braune Augen wie sie.
Treffpunkt: Stundenhotel
Als mein Eisprung wieder kurz bevor stand, kontaktierten wir den Spender entsprechend. Wie geplant, sind wir nach der Arbeit zum verabredeten Treffpunkt gefahren. Vor dem Hotel standen zwei Typen, die uns ansahen, als wären wir Frischfleisch und sie selbst wirkten dabei wie Zuhälter. Seine Hotelmitbewohner kann man sich nun mal nicht aussuchen und so habe ich versucht sie einfach zu ignorieren. Wir checkten also ein und machten uns auf den Weg zum Zimmer. Allerdings wussten wir gleich, dass das Hotel nicht unseren Vorstellungen entsprach. Es war muffig, klein und die Badezimmer waren auf dem Flur. Nachdem wir das Zimmer betraten, das von der Größe her etwa der einer Gefängniszelle glich und ohne Klo oder Schrank war, mussten wir erst mal ganz tief durchatmen. Hier sollte es also geschehen?! Die Vorstellung, dass in diesem schmutzigen Loch mein Kind gezeugt werden sollte, war ein Graus für mich. Nun war jedoch alles vereinbart, der Spender unterwegs und für uns nicht mehr erreichbar.
„4-Stunden-Schlampen“
Eine gute viertel Stunde hatten wir noch, ehe er kommen würde. Zunächst packten wir den DVD-Player aus dem Koffer aus und versuchten ihn an den Fernseher anzuschließen. Fernseher? Fehlanzeige! Wir packten den Not-Laptop aus und legten die speziell an diesem Tag erworbene DVD zum Funktionstest ein. Sie trug den anspruchsvollen Titel “4-Stunden-Schlampen”. Schließlich hatte der Spender ja um etwas gebeten, das ihn „stimulieren“ würde. Dummerweise entschied sich der Laptop, zum ersten Mal seit wir ihn hatten, die DVD nicht zu spielen. Ich nehme einfach mal an, dass er etwas gegen solche Filme hat. Nun standen wir also da: Kein Filmchen für den Spender und ein Drecksloch, das kaum zu ertragen war, so schmierig und klebrig war es überall. Ich entschied kurzerhand, dass wir gehen würden. Gesagt, getan: Laptop und DVD-Player schnell wieder eingepackt und runter in die „Lobby“.
15 Minuten = 1 Sunde
Der Schmierlappen von der Rezeption sah uns mit einem Blick an, den ich nicht beschreiben kann. Er sagte, wir seien ja schon über eine Stunde oben gewesen und er müsse jetzt erst mal das Zimmer kontrollieren. Diese angebliche „eine Stunde“ waren gerade mal 15 Minuten gewesen. Seine Reaktion bekräftigte mich endgültig in meiner Gewissheit, dass dieses Hotel wohl für alles Andere genutzt wurde, als zum Übernachten und dass einige Gäste keine 15 Minuten brauchten, um ihr „Geschäft“ zu erledigen. Jetzt hieß es erst mal in der widerlichen Lobby zu warten, wo ständig Menschen eintraten, von denen mir nun klar war, was sie dort vor hatten.
Der Spender
Nach einer gefühlten halben Ewigkeit sah ich endlich den Spender kommen. Ich eilte zu ihm heraus, klärte ihn über die unschönen Umstände auf und entschuldigte mich. Er zeigte Verständnis. Dann fragte ich ihn, ob es ein Problem sei, wenn wir es stattdessen bei uns zu Hause täten. Im Vorfeld gab es viele Diskussionen zwischen mir und meiner Frau darüber, ob das überhaupt für uns in Frage käme. Wir tendierten immer klar zum „Nein“, aber nun bewegte uns dieses Hotel und die Not zum „Ja“. Er hatte kein Problem damit und fuhr, nach Preisgabe unserer Privatadresse, los. Wir mussten noch schnell die Stornierungsunterlagen des Hotels ausfüllen und fuhren anschließend Richtung Heimat.
Ein Becher
Innerlich aufgewühlt, erreichten wir unsere Wohnung sogar noch vor ihm. So konnten wir schnell noch für Klarschiff sorgen und uns innerlich etwas runterfahren. Meine Frau war gerade dabei, sich einen Tee zu machen, als es bereits klingelte. Ich öffnete und der Spender trat ein. Ich bot ihm ein Glas Wasser an und auf seinen Wunsch hin reichte ich ihm ein Stück Schokolade. Dann machte ich ihm den Fernseher an. Er bat uns noch um ein paar Taschentücher; der Becher stand auf dem Wohnzimmertisch. Er schloss die Tür hinter sich. Wir verschwanden im Schlafzimmer und versuchten uns abzulenken, uns zu beruhigen. Eine merkwürdige Situation. „4-Stunden-Schlampen“ lief etwa eine halbe Stunde lang, als wir Geräusche von drüben hörten. Ich trat aus dem Schlafzimmer heraus, der Spender drückte mir seinen Becher in die Hand und hastete mit einem „Hier, der Becher“ aus der Tür und war weg. Im Wohnzimmer fanden wir heraus, dass wohl versehentlich nicht alles im Becher, sondern auch etwas auf der Couch gelandet ist. Also haben wir alles sauber gemacht, die Fenster geöffnet und eine Duftkerze angemacht.
Zweiter Versuch
Obwohl es ein äußerst deprimierendes Gefühl war, erfolgte nun unser zweiter Versuch: Ich legte meine Hüfte hoch, schob mich an der Wand mit den Füßen hoch und: Rein damit!
Die meisten Frauen benutzen für die Heiminsemination die sogenannte Bechermethode. Dabei wird das Ejakulat, aus dem überreichten Becher, mit einer Spritze aufgezogen und dann mit etwas Druck in die Vagina, möglichst nahe an den Muttermund, gespritzt. Das ist gar nicht so schwierig. Der Nachteil bei einem fremden, anonymen Spender ist natürlich die mangelnde gesundheitliche Abklärung und somit das Risiko, das die Frau damit eingeht.
Ich fühlte mich äußerst unwohl. Nach etwa einer dreiviertel Stunde stand ich auf und ging mich waschen. Mir war immer noch übel, aber ich versuchte mich zu beruhigen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich das deutsche Recht verflucht, da es quasi verhinderte, dass uns dieses Erlebnis erspart blieb. Ich habe beschlossen, dass wir wohl doch erst wieder sparen müssten, da ich einen weiteren Versuch wie diesen nicht ertragen würde. Er blieb, wie vielleicht zu erwarten war, ohne Erfolg.
Dänemark 2.0
Die Zeit verging. Wir heirateten, zogen in eine größere Wohnung mit einem zusätzlichem Kinderzimmer und machten neue Pläne für Dänemark. Diesmal sollte alles besser werden. Ich wollte keine 16 Stunden-Fahrt an einem Tag mehr haben. Ich wollte nicht wieder Ausreden auf der Arbeit erfinden. Also buchten wir uns ein Ferienhaus in Dänemark, und legten meinen Urlaub so, dass mein Eisprung auf jeden Fall in diesem Zeitraum stattfinden würde. So doof es vielleicht klingt: Wir nahmen sogar meine Mutter mit, die es immer wieder schafft ihre innere Ruhe auf mich zu übertragen. Es schien alles bestens zu sein. Ein Jahr war seit dem letzten katastrophalen Versuch vergangen. Und jetzt war alles eigentlich ganz prima. In Dänemark war es sehr idyllisch.
Wechselbad der Gefühle
Am Karfreitag fuhren wir dann zur Klinik, wo die Untersuchung uns einerseits bestätigte, dass der Eisprung da war, aber ich ebenso eine Zyste hatte, von der ich bis dato nichts wusste. Als ich da so lag, und das hörte, stieg in mir die völlige Verzweiflung auf. Die Dame in der Klinik empfahl mir zunächst nicht mit der Insemination fortzufahren. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Sie verschwand kurz und telefonierte mit einer Kollegin. Dann kam sie wieder rein, und teilte mir mit, dass ihre Kollegin mehr Erfahrung hätte und dass die Zyste vermutlich einfach platzen bzw. verschwinden würde und dass der Insemination nun doch nichts im Wege stehen würde. Nun ja, was soll ich sagen? Genau das wollte ich hören. Wir hatten uns doch so viel Mühe mit dem Haus, dem Urlaub und allem gemacht. Ich wollte nicht einfach weggeschickt werden. Die Insemination wurde durchgeführt. Einen Tag später fuhren wir nach Hause. 14 Tage später: Wieder nicht schwanger.
Der Regenbogenspender
Um mit dieser weiteren Niederlage fertig zu werden, brauchte ich ein paar Monate. Langsam hatte ich das Gefühl, dass ich kurz vor einer Depression stand und vermutlich tat ich das auch. Babys waren überall um mich herum. In meiner Familie kam ein Kind nach dem anderen auf die Welt. Das tat weh. Fünf Monate später fasste ich wieder den Entschluss einen Samenspender zu finden. Diesmal sind wir das Ganze etwas anders angegangen. Wir fanden einen netten jungen Mann in unserem Alter. Er war schwul, und hatte gerade zwei lesbischen Freundinnen, sowie sich selbst, zu einem Baby verholfen. In dieser Regenbogenfamilie war er der Vater für das Kind. Bei uns wollte er lediglich Spender sein: Ohne Verpflichtungen und ohne Kontakt. Schnell entschieden wir uns für ihn. Dann wurde wieder gemessen.
Ob mit oder ohne Vertrag: Diese Lösung kann rechtlich sehr problematisch werden. Wenn der leibliche Vater, der ja dann aus dem nahen Umfeld kommt, beispielsweise Vatergefühle für das Kind entwickelt. Dennoch wird dieser Weg relativ häufig und oft auch erfolgreich gewählt. Und für das Kind besteht später die Chance den eigenen “Erzeuger” kennen zu lernen.
Zu jedem Eisprung trafen wir uns in einem Hotel. Es war wesentlich teurer, als das Chaoshotel vom ersten Mal, dafür aber auch wesentlich komfortabler. Tatsächlich war die Übernachtung dort jedes mal ein Fest für uns. Wir trafen uns stets am Wochenende vor dem möglichen Eisprung und versuchten es drei Monate lang – ohne Erfolg.
Ursachenforschung
Ich beschloss zu meiner Frauenärztin zu gehen, um mich durchchecken zu lassen. Die Zyste hatte ich schon längst wieder vergessen. Die Dame in der Klinik hatte mir ja gesagt, dass sie von allein wieder verschwindet. Das mag jetzt naiv klingen, aber ich bin nun mal keine Arzt-Gängerin. Die Frauenärztin stellte dann eine ca. 7 cm große Zyste fest. Sie war eben nicht verschwunden, sondern fleißig gewachsen. Die Folge: Die Zyste müsste operativ entfernt werden. Dabei würde gleichzeitig geprüft, ob meine Eileiter durchgängig sind. Also wieder mal eine Zwangspause für unsere Kinderwunsch-Erfüllung. Wieder verschenktes Geld für Hotel und Fahrtkosten, für die Versuche, die wir trotz Zyste völlig umsonst unternommen haben.
Endometriose
Im Krankenhaus kam dann, nach der Bauchspiegelung, die erschütternde Diagnose: Endometriose Grad IV. Die Worte des Oberarztes waren eindeutig. Sie haben jetzt noch maximal drei bis vier Monate Zeit, um schwanger zu werden. Danach wird es nichts mehr werden. Schockiert über diese Informationen und geschwächt von der OP war ich wieder total deprimiert. Aber es war keine Zeit mit traurig-sein zu verschwenden.
Im Portal der Frauenklinik der Charité Berlin heißt es dazu:
„Endometriose ist eine gutartige, oft aber chronisch verlaufende Erkrankung von Frauen während ihrer geschlechtsreifen Lebensjahre. Sie kann zu einer Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit führen: Endometriose kann die Eileiter verschließen, aber auch den Spermientransport in der Gebärmutter und die Befruchtung der Eizelle behindern.“ Operative und hormonelle Therapieformen sind möglich.
Also versuchten wir es weiter. Die nächsten vier Monate setzten wir alles daran, dass es mit unserem Spender klappen würde. Aber es sollte einfach nicht sein. Über zwei Jahre waren nun seit dem allerersten Versuch in Dänemark vergangen. Aber es klappte einfach nicht. Als die angekündigte Frist vorüber war, mussten wir uns etwas Anderes überlegen.
In-Vitro für Zwei
In der Zwischenzeit hatte ich, über eine Facebook Gruppe für lesbische Frauen mit Kinderwunsch, von einer Klinik in Holland erfahren, die eine In-Vitro-Fertilisationen durchführt. Diese Klinik arbeitet auf einem Prinzip der Gegenseitigkeit. Das bedeutet, ich werde gleichzeitig zur Spenderin für eine Frau, die eine Eizellenspende braucht. Dadurch reduzieren sich die Kosten um knapp die Hälfte. Dennoch ist es teuer. Nachdem wir ein Vorgespräch nach dem anderen hatten, waren wir nun kurz davor loszulegen. Eine vorsorgliche Untersuchung und: Wieder Zysten. Diesmal vier an der Zahl. Wieder die Endometriose. Wieder eine OP.
Zum verrückt werden
Die OP ist nun gut einen Monat her. Ich habe gerade die Eizellenpunktion hinter mir – ein sehr schmerzhafter Eingriff – und morgen oder übermorgen findet der Embryonentransfer statt. Dann heißt es wieder bangen und bibbern. Ich bin wie immer zuversichtlich, aber gleichzeitig scheint in mir so ein kleines Monster zu leben, das mich immer wieder fragt: „Und, wie viele Rückschläge erträgst du noch, ehe du zusammenbrichst und verrückt wirst?“
Warum ist es so schwer?
Das Frustrierende an der ganzen Sache ist, dass mir und jeder anderen lesbischen, oder alleinstehenden Frau, so viele Steine in den Weg gelegt werden. Mit meiner Diagnose hätte eine Frau mit Ehemann wenigstens Anspruch auf Erstattung eines Teils der Behandlungskosten. Aber ich habe keinen Ehemann. Ich will keinen Ehemann. Ich will ein Baby mit einer Frau, meiner Ehefrau! Wir wollen einem Kind die besten Eltern der Welt sein.
Pro Familia sagt hierzu:
„Die Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion verbieten die Befruchtung mit Spendersamen bei lesbischen Frauen nicht explizit, aber es gibt in Deutschland nur sehr wenige Ärzte und Ärztinnen, die diese Behandlung durchführen.“
Ausblick
Diese ganze Prozedur ist nicht leicht für uns beide. Ich sehe meine biologische Uhr davon laufen und mein innerer Wunsch nach einem Baby ist so groß, dass er mich zu zerreißen droht. Meine Frau hat inzwischen Angst um mich und um meine Psyche. Wir reden sehr viel darüber. Ich weiß nicht, wie ich einen weiteren Fehlversuch überstehen soll. Aber ich weiß, dass meine Frau für mich da sein wird und versuchen wird stark zu sein, obwohl sie eigentlich nicht die Starke von uns beiden ist. Das beruhigt mich ungemein und ich bin ihr dafür unendlich dankbar! Was die Endometriose angeht: Sollte sich jetzt in den nächsten zwei Zyklen wieder keine Schwangerschaft ergeben, so müssen wir uns ernsthaft um eine Therapie kümmern. Diese basiert allerdings auf Hormonen, die in etwa wie die Antibabypille wirken und dann ganz verhindern, dass ich schwanger werde. Daher stellen wir das erst mal zurück. Morgen habe ich meinen Embryonentransfer. Durch die IVF habe ich viel größere Chancen schwanger zu werden, als durch eine reine Insemination. Daher bin ich sehr zuversichtlich und hoffe natürlich, dass der Embryo sich einnistet. Wenn nicht, dann haben wir nächsten Monat noch die Möglichkeit eines weiteren Versuchs. Danach muss ich erst mal aufgeben und wir müssen uns überlegen, ob meine Frau die Schwangerschaft übernimmt. Aber ich sehne mich nicht nur nach einem Baby, sondern besonders auch nach einer Schwangerschaft und Geburt. Ich weiß natürlich, dass sowohl als auch nicht nur schön sind, aber dennoch freue ich mich auf diese besondere Zeit, diese besondere Veränderung. Daher hoffe ich so sehr, dass es morgen nun endlich klappt und ich bald einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen halten darf.
Ein paar Wochen später
Die künstliche Befruchtung hat bei Rebecca auch dieses Mal nicht funktioniert.
Zu Beginn von Rebeccas Odyssee gab es in Deutschland, für ein lesbisches Paar, noch keine offiziellen Möglichkeiten durch künstliche Befruchtung ein Kind zu bekommen. Inzwischen gibt es einige, aber sie sind immer noch ungleich teurer, als in vielen unserer Nachbarländer.
Bezahlbares Glück
Nicht jede Kinderwunsch-Therapie geht glücklich aus. Und ich persönlich finde auch, dass es irgendwo eine Grenze geben sollte, wenn es einfach mal so überhaupt nicht klappen will. Aber ein unerfüllter Kinderwunsch ist eben auch keine Lappalie: Die WHO bezeichnet Infertilität bereits als Krankheit und weist auf die teils gravierenden, psychischen Folgen von Unfruchtbarkeit hin.
Ich bin der Meinung, dass jede Frau zunächst mal die Chance auf eine bezahlbare Behandlung erhalten sollte. Und das natürlich auch unabhängig von der sexuellen Orientierung!
Liebe Rebecca, ich danke Dir für Deine Geschichte! Ich wünsche Euch beiden weiterhin starke Nerven und viel Glück, wie auch immer das hier ausgehen mag. Alles Gute!
Liebe Rebecca, Dein Bericht hat mich sehr berührt. Zwar bin ich mit einem Mann verheiratet, aber auch unsere Tochter ließ eine Weile auf sich warten. Die Gefühle, die Du beschreibst, kann ich sehr gut verstehen. Ich wünsch Dir die größte Glückssträhne, die es gibt.
Auch wenn ich einen Mann habe (der aber keine Spermien), weiß ich nur zu gut, wie Rebecca sich fühlt. Wir kämpfen auch seit über zwei Jahren mit den rechtlichen, finanziellen, organisatorischen und medizinischen Grenzen des Machbaren. Das Warten und Hoffen macht einen so unendlich müde… Aber noch ein kleiner Hinweis, für alle, die auf Spendersamen angewiesen sind. Es gibt Samenbanken (z.B. in Dänemark), die aufbereitete, getestete und kryokonservierte Spermien per Post mit DIY-Kit verschicken. Wenn außer dem Mangel an männlichen Samenzellen keine Probleme bestehen ist das eine super Option. Sicherer als private Samenspende, aber günstiger als der “Urlaub” in der ausländischen Kinderwunschklinik.
Liebe Rebecca, vielen Dank für deine sehr offene Erzählung. Ich hatte bisher gedacht, als Lesbe mit Kinderwunsch brauch man “nur” ein bißchen Sperma, den Rest hat man ja. Tja, Pustekuchen, deutlich schwieriger als gedacht. Vielen Dank, dass du erzählst, wie es wirklich ist. Ich wünsche dir und deiner Frau starke Nerven und (natürlich!) ein Baby.
Ich möchte etwas dazu schreiben als 30jährige Single-Hetero-Frau die ebenfalls lange einen Samenspender gesucht hat bis ich ihn gefunden hab.
Mir persönlich ist es sehr wichtig dass das Kind seinen Papa kennenlernen kann. Ich würde es verantwortungslos finden dem Kind seine Wurzeln vorzuenthalten. Es ist doch ein Grundbedürfniss jedes Menschen seine Wurzeln zu kennen auch wenn die Eltern nicht zusammen sind.
Zu der Spendersuche allgemein: es gibt leider haufenweise Männer die nur schnellen Sex ohne Gummi hinter dem Rücken ihrer Ehefrau wollen und hinterher keinen Kontakt wollen. Es braucht wirklich enorm viel Ausdauer und frau muss viele Enttäuschungen wegstecken. Eine Weile hatte ich sogar einen Stalker an der Backe der es nicht akzeptieren konnte dass ich mit ihm nicht will.
Ich wünsche auf jeden Fall allen Frauen und Paaren dass sie für sich einen Weg finden ihren Kinderwunsch zu verwirklichen, auf welchem Weg auch immer.
Liebe Rebecca,
vielen lieben Dank für deine Offenheit und deinen fesselnden Bericht. Als lesbische Frau mit einem über 5 Jahren unerfüllten Kinderwunsch kann ich all den Schmerz, die Enttäuschung und die Traurigkeit nachvollziehen, die du empfunden hast und empfindest.
Ich wünsche dir viel Kraft um an deinem Wunsch festzuhalten und noch mehr Glück, dass er endlich in Erfüllung geht!
Liebe Grüße
Daniela
Liebe Rebecca,
vielen Dank für diesen packenden Erfahrungsbericht – mir stehen da wirklich Tränen in den Augen. Ich möchte Dir da lassen: Sei tapfer – Du schaffst das! Auch wenn es jetzt sooo schlimm ist und sooo an den Kräften zehrt – Du WIRST irgendwann Dein Baby im Arm halten! Es ist jede Anstrengung, jede Sekunde, jedes beschissene Negativ wert.
Liebe Grüße
Danielle
(6 ICSIs, 2 Kinder)
Liebe Rebecca
Ich bin sehr traurig über deine Worte. Denn genau die gleichen Gefühle kenne ich. Und die sind schrecklich und es tut soooo weh. Ich kam mir soooo alleine vor ( von dem System)
Ich bin lesbisch habe meine Frau geheiratet und habe 2 Jahre versucht schwanger zu werden. Nach 6 versuchen in Dänemark. Wurde ich operiert und ein septum in der Gebärmutter entfernt. Nach vielen homöopathischen Mitteln, bis Akupunktur und noch so vieles mehr. Sind wir nach München gegangen. Ich hatte schon voll die Depressionen, aber immer noch diesen dollen Kinder Wunsch!
Nach drei versuchen, also nach dem 9 Versuch und Ca 10 000 – 11 000 Euro kosten war ich Schwanger.
Bei mir gab es zwar ein Happy end, aber bis dahin hab ich soviel schmerz ertragen müssen!
Ich drücke dich ganz doll und wünsche dir ein Happy end vom ganzen Herzen!
LG Nicole
Oh jeh, das klingt ja schrecklich. Liebe Nicole ich bin 24 Jahre alt und habe als Studentin wenig Geld. Soetwas könnte ich mir nie leisten =( Bei deinem Bericht bekomme ich einen großen Kloß im Hals…haben all meine Freunde doch Recht? Es hat sich zwar viel verändert, doch noch nicht genug?!
Herzliche Grüße
Lou
Im folgenden Video wird auf die Probleme eingegangen, die damit verbunden sind, einen Samenspender über das Internet zu suchen: https://youtu.be/gjs-1yYPADU
Liebe Jana
Uns würde mal brennend interessieren, was Du einem Kinderwunsch-Paar alles raten würdest, um natürlich schwanger zu werden.
Und: wir suchen für einen Online-Kongress noch geeignete Interview-Partner. Hättest Du Lust?
Liebe Rebecca,
was für eine Tortur für eine Frau, die einfach nur ein “Kind der Liebe” haben möchte und nicht dafür mit einem Mann schlafen will.
Ich bin selbst in einer Beziehung mit einer Frau und dieses Thema lässt uns irgendwie auch keine Ruhe. Genau diese Komplikationen habe ich mir vor meinem inneren Augfe ausgemalt und durch deinen Bericht wurde mir all das noch einmal bestätigt. Erschütternd!!!
Was kann man tun als lesbisches Paar? Warum ist es für uns so ungerecht? Warum sind alle Nachbarländer mal wieder einen Schritt weiter voraus???
All diese Fragen kreisen einem tagtäglich im Kopf herum.
Ich wünsche allen Frauen- natürlich auch meiner Partnerin und mir- die diesen Weg einschlagen nur das Beste und ganz viel Kraft.Ihr schafft das!!! Ein Kind zeugen zu wollen ist doch ein Grundbedürfnis des Menschen.
Liebe Grüße Lou
“Nach einer gefühlten halben Ewigkeit sah ich endlich den Spender kommen. Ich eilte zu ihm heraus, klärte ihn über die unschönen Umstände auf und entschuldigte mich.” >> ich dachte, ich hab gar nicht die Möglichkeit meinen Spender kennenzulernen? ist diese Info falsch? Ich dachte immer das läuft anonym ab! Vielen Dank für ein kurzes feedback! Theresa
Normalerweise stimmt das. Hier war das ja eine – wie soll ich sagen – etwas dubiose Spende.
Vielen Dank für den offenen und sehr berührenden Erfahrungsbericht. Alles Gute für den weiteren Weg.