Lieber “Ferbern” als Schütteln!

Mit zunehmend gemischten Gefühlen beobachte ich seit einiger Zeit eine neue Bewegung im Netz: Dabei geht es um einen Aufruf an den GU-Verlag, das berüchtigte Buch „Jedes Kind kann Schlafen lernen“ vom Markt zu nehmen. Auf den ersten Blick eine gute Idee. Ich finde den Inhalt des Buches, genau wie viele andere, höchst bedenklich.
Wer das Buch und die Methode noch nicht kennt, dem empfehle ich das Video von Nestling.org, welches das sogenannte „Ferbern“ eindrucksvoll darstellt.

Buchverbot oder Meinungsfreiheit

Ich schloss mich dennoch diesem Aufruf nicht an. Warum?
Was genau mich daran so sehr störte, konnte ich zunächst selbst nicht richtig sagen. Ich ignorierte den Aufruf also zunächst einfach nur. Dann las ich ein Facebook-Posting von „Doula in Potsdam“, welches mir wirklich aus dem Herzen sprach:

„(…)Warum habe ich dabei ein ungutes Gefühl? Vielleicht weil es mich an Hexenjagd und Bücherverbrennung erinnert? Ich meine, ich mag das Buch und v. a. die Botschaft auch nicht. Aber wenn ich versuchen wollte, jedes Buch zu verbieten, dass mir nicht gefällt, hätte ich viel zu tun. Ich weiß nicht, wie die Autorin heute dazu steht, aber wäre es denn nicht besser, an sie zu appellieren, das Buch nach neuesten Erkenntnissen zu überarbeiten? Vielleicht will sie das nicht – o.k. Dann leben wir aber immer noch in einem Land, in dem Meinungsfreiheit herrscht. Und auch wenn mir das nicht gefällt, darf sie dieses Buch schreiben und vertreiben. Sicher kann man dem Verlag aufzeigen, wie gefährlich dieses Buch ist – und dennoch habe ich ein ungutes Gefühl mit dieser Petition. Auch wenn es wie ein Kampf gegen Windmühlen scheint, ich möchte lieber aufklären und die Eltern langsam dazu bringen, dieses Buch nicht mehr zu kaufen(…).“

Fast zeitgleich erreichte mich auf der Facebookseite des Hebammenblogs die Aufforderung, eine Petition über Change.org an den Bundestag mit zu unterzeichnen. Diese will die im Buch beschriebene Schlaflernmethode, wenn ich es richtig verstehe, als unzulässige Züchtigung einstufen lassen: Definition des Züchtigungsrechts für Baby´s!

Meine Meinung

Das lies mir keine Ruhe und nun muss ich mich dem Thema doch stellen:
Ich teile die Meinung, dass es sich beim “Ferbern” um eine vollkommen unangebrachte Methode handelt. Dennoch bin ich nicht der Meinung, dass der Staat so massiv in das Privatleben von Menschen eingreifen darf. Ein Umdenken kann nur durch Aufklärung, nicht aber durch Druck entstehen.
Durch meine Arbeit als Hebamme weiß ich, dass doch die meisten Eltern wirklich das Beste für ihre Kinder wollen. Es gibt aber eben auch immer wieder mal Situationen der totalen Überforderung.

Lieber „Ferbern“ als Schütteln!

Erst kürzlich betreute ich eine Familie mit einem sehr „anspruchsvollen“ Kind. Der Kleine weint wirklich viel. Die Eltern tun ihr Bestes: Familienbett, viel Tragen, viel Ruhe, geregelter Tagesablauf, stillen… Dennoch gibt es immer wieder Situationen, in denen sich der Kleine über nervenaufreibend lange Zeiträume einfach nicht beruhigen lässt. Der Vater vertraute mir an, er habe manchmal regelrechte Aggressionen gegen seinen Sohn. Er fühle sich von ihm angebrüllt. In einer Situation, in der er alleine mit dem Kind war – die Mutter brauchte eine kurze Auszeit und ist um den Block gegangen – war er bereits kurz davor sein Kind zu schütteln, damit es endlich aufhört.

Was habe ich ihm geraten, für den Fall, dass er nochmal in diese Situation kommt? Das Kind sicher ablegen und raus gehen! Wenn es ihm nach einigen Minuten wieder möglich ist nach seinem Kind zu schauen, dies zu tun und dann zur Not wieder raus zu gehen.
Klingt das nach “Ferbern“? Ja!

Auch das Private ist politisch?

Natürlich tut mir das Baby dabei auch unglaublich leid. Aber der Vater auch.
Natürlich wär es besser, er könnte sich mit dem Würmchen im Arm auf’s Sofa setzen und Ruhe bewahren. Aber wenn er es nun einfach nicht schafft?
Sollen solche Eltern in Zukunft auch noch staatliche Sanktionen fürchten müssen? Ruft dann die Nachbarin die Polizei, wenn das Baby mehr als 10 Minuten schreit?
Wäre es nicht viel besser, wenn unsere Gesellschaft sich dahingehend verändern könnte, dass die Nachbarin in solch einem Fall selbstverständlich ihre Hilfe anbieten würde?
Solche Eltern brauchen jede Hilfe, die sie kriegen können – das berühmte Dorf!
Sie brauchen aber ganz sicher keine Gesetze, die ihr ohnehin schon schlechtes Gewissen auch noch künstlich verstärken.

Aufklärung und Hilfe, statt Ausgrenzung und Hexenjagd

Natürlich, werdet ihr sagen, ist es etwas Anderes, wenn die Methode zum Einsatz kommt, weil die Eltern nur mal in Ruhe Tatort schauen wollen, als um zu verhindern, dass ein Tatort entsteht. Das sehe ich natürlich auch so.
Aber wie differenziert man dann? Welchen Sinn macht da ein Gesetz?
Nein, ich finde Aufklärung ist weiterhin das Zauberwort.
Und ich darf – ein bisschen in eigener Sache – sagen, dass eine gute Hebammenbetreuung auch hierbei schon viel helfen kann.
Dass ein Umdenken glücklicherweise bereits im vollen Gange ist, auch dafür findet man im Netz ausreichend Belege.

Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
Du bekommst bei mir Informationen, Beratung und „Zutaten“ zur Meinungsbildung für eines der spannendsten Abenteuer des Lebens.

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25 Kommentare
  1. Avatar
    Nestling sagte:

    Dem kann ich mich nur anschließen, obwohl es kein Ferbern ist, wenn man ein Kind ein paar Minuten schreien lässt, damit man selbst wieder einen klaren Kopf bekommt. Das ist eben Schreienlassen aus der Not heraus, damit nichts Schlimmeres passiert.

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  2. Avatar
    halitha sagte:

    Vielen dank für diesen Beitrag, ich teile Ihre Meinung! Und ich finde, sie haben es gut auf den Punkt gebracht. Danke!

    Glg
    halitha, die gestern über etwas ähnliches gebloggt hat.

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  3. Avatar
    Anna sagte:

    Die Methode Ferber ist ja auch genau für diese Eltern gedacht. Für einen Vater der es nicht mehr aushalten kann. Das steht doch außer Frage, dass er das Kind sicher ablegen und kurz Luft holen soll. Das ist absolut richtig! Aber darauf zielt das Buch ja nicht ab. Fr. Kast- Zahn möchte ja, dass alle Kinder einfach abgelegt werden und dann “lernen” sich in den Schlaf zu weinen und irgedwann aufzugeben. Ich bin auch schon mal aus dem Zimmer, habe 3 Minuten Luft geholt und bin dann zurück zu meinem Säugling, der sicher in unserem Familienbett gelegen hat. Ich lege ihn aber nicht jeden Abend selbstverständlich in sein eigenes Bett und verlasse den Raum und komme grundsätzlich erst nach 3- 5 Minuten und das über Stunden/ Tage. Das ist der Unterschied 🙂

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  4. Avatar
    Ines sagte:

    Aber es hat ja nichts mit JKKSL zu tun, wenn man rausgeht, weil man das Schreien nicht erträgt. Ich hatte selber ein Schreibaby. 6 Monate lang, 7 Tage die Woche, täglich bis zu 7 Stunden Geschrei.

    Da hilft es manchmal nur, kurz rauszugehen und durchzuatmen. Soweit ok. Aber das habe ich nicht gemacht um mein Kind zu kontrollieren und es zu etwas zu zwingen. Sonder um eben der Gefahr zu entgehen, doch das Kind irgendwann zu schütteln. Danach habe ich es sofort wieder hochgenommen und versucht zu beruhigen.

    JKKSL soll aber ja nicht diese Gefahr abwenden. Es soll ein normales Kind (in den meisten Fällen kein Schreibaby) zwingen etwas zu tun, zu dem es vielleicht noch gar nicht in der Lage ist. Und eben deshalb sollte es nicht mehr verkauft werden.

    Natürlich ist Aufklärung der bessere Weg als Verbote oder Gesetze. Und Bücherverbrennungen gehen mal gar nicht.
    Diese Petition wird auch nicht erreichen, dass das Buch oder die Methode verboten wird. Aber sie sorgt dafür, dass man sich um dieses Thema Gedanken macht. Dafür ist sie gut. Durch diese Aktion wird Kritik an dem Buch und der Methode bekannter. Man spricht darüber, warum es nicht gut ist sein Kind schreien zu lassen, nur damit es “durchschläft”. Und dann wird dieses Buch nicht mehr verkauft.

    Manchmal braucht es für solche Themen einen lauten Knall, damit sie gehört werden. Sonst verhallen sie genauso lautlos wie das Thema “Haftpflichtversicherung der Hebammen”.

    LG

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    Marie-Christin sagte:

    Hallo, ich möchte mich mal mit einem Kommentar dazwischen drängen.

    Ich bin eine junge Mutter einer inzwischen 14 Monate alten Tochter. In der Schwangerschaft suchte ich aufgrund privater Probleme und der Angst vor dem Alleinerziehen Hilfe in einem Mutterkindhaus in OWL. Dort war man der Ansicht, dass der Säugling/das Kleinkind die Mutter zu erziehen versucht zum Beispiel mit abendlichen Schreiattacken im Bett. Man sagte den Müttern sie haben 10 Minuten zu warten bis sie ins Kinderzimmer gehen dürfen. Man tat so, als ob die Babys bösartig handelten. Sie sagten, die Kinder/ Babys würden sonst zu sehr verwöhnt. Ich zog noch vor der Geburt in ein anderes Haus, da mir einige Praktiken sehr komisch vor kamen. Doch auch in dem anderen Mutterkindhaus war der Ansicht das man Babys zu sehr verwöhnt wenn man bei jedem schreien einschreitet. Man sagte, die Babys würden merken das die Mutter mit dem schreien kontrollierbar sei und dies dann auch täglich anwendeten. Auch ich hatte mal Momente wo ich sagte, ich brauch kurz einen klaren Kopf. Da die Betreuung in dem Mutterkindhaus nur tagsüber da war musste ich ein einziges mal die Notbremse ziehen und bin mit meiner Tochter ins Krankenhaus gefahren da sie schwere Koliken hatte und ich alleine nicht mehr weiter wusste. Lieber gehe ich so einen Weg und lasse mir helfen, als das ich einen hilflosen Säugling schreien lasse.
    Lg

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  6. Avatar
    helene sagte:

    ich finde es auch wichtig, dass eltern kein schlechtes gewissen gemacht wird, wenn sie mal eine auszeit brauchen.
    beschuldigungen sind dann halt aber einfacher als aufklärung.

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    Kath sagte:

    hmm… ich habe die Petition unterschrieben. Meiner Meinung nach geht diese nur an den GU Verlag mit der Bitte, dieses Buch nicht weiter zu verlegen, was ich als sinnvoll erachte. Ich erlebe es wirklich häufig, dass Eltern (mir selbst auch schon) auch von Fachpersonal zu diesem Buch geraten wird und diese das mit schlechtem Bauchgefühl bei ihren normalen Kindern versuchen…. Kinder schreien ab und zu mal und wenn man das nicht mehr ertragen kann, bin ich die Letzte, die es verurteilt, wenn die Eltern dann das Kind sicher für einige Minuten im Zimmer zurücklassen um es nicht zu schütteln. Das ist für mich aber etwas ganz anderes als ein Schlaflernprogramm, welches propagiert, dass Kinder schlafen durch schreien lassen lernen! Eltern sind durchlässig und verunsichert. Das darf man einfach nicht vergessen!

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  8. Avatar
    simone friebel sagte:

    ich habe diese petition auch unterschrieben . dieses buch ist so sehr in den köpfen vieler eltern und durch den anscheinenden “erfolg ” wird dieses handeln somit immer weitergegeben wird .
    ich denke auch , es geht nicht um das ablegen eines schreikindes um mal luft zu holen , was ich in speziellen situationen in ordnung finde , sondern um das gezielte schreien lassen nach plan , was jedem natürlich instinkt wiederspricht .
    aufklärung ist super und ich versuche das in jeder sich bietenden situation , aber manche meinungen sind so festgefahren , daß man nichts erreicht .
    ein kind schläft durch , wenn es reif dafür ist …manche nach 3 monaten u manche erst mit über drei jahren .
    oft geht es einfach auch nur darum , daß ein kind zu einer bestimmten zeit ins bett ” muss” ohne auf die jeweiligen schlafbedürfnisse des kindes einzugehen .
    meiner dreijährigen tochter genügen zb 9 stunden schlaf .
    es wär ein graus für sie und uns , wenn sie von 19 bis 7 uhr schlafen müsste . so geht sie ohne probleme ins bett , wenn sie müde ist und das völlig ohne probleme oder schlaflernmethoden .

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  9. Avatar
    Jana Friedrich sagte:

    Vielen Dank für Eure Beiträge. Ich bin sehr froh, dass es bereits so viele Menschen gibt, die Schlafprogrammen mehr als kritisch gegenüber stehen.
    Dass ich das auch tue, habe ich in meinem Beitrag klar zum Ausdruck gebracht.
    Dass es Unterschiede zwischen dem Ablegen in der Krise und dem Ferbern zum „Schlafen-Lernen“ gibt, habe ich auch deutlich gemacht.

    Um Missverständnisse zu vermeiden, hier noch mal meine Kernaussagen:

    • Ferbern ist furchtbar!
    • Ich bin für Aufklärung
    • Ich bin gegen Buchverbote (einem offenen Brief würde ich mich anschließen)
    • Ich bin gegen politische Interventionen
    • Es gibt Eltern, die aus Verzweiflung ein „Schlaftraining“ durchziehen, aus Angst sonst ihrem Kind etwas an zu tun und das finde ich dann das kleinere Übel!

    (Ergänzend möchte ich hinzufügen, dass ich mit solchen Eltern natürlich Strategien bespreche, um mit dem Schreien umzugehen, sie zur Schreiambulanz schicke, eine Familienpflege organisiere, etc…)

    Welches aber der richtige Weg ist, um Eltern davon abzuhalten Schlafprogramme zu verwenden, darüber lässt sich streiten!
    Da setze ich einzig und allein auf Aufklärung und Vernunft, statt auf Verbote. Und ich glaube fest daran, dass sich durch Gespräche von Multiplikatoren wie Familienhelfern, Stillberaterinnen, Pekip-Anleiterinnen… und eben auch Hebammen, mit der Zeit etwas ändern wird.
    Natürlich weiß ich auch, dass es in diesem Bereich noch genug „alte Knochen“ gibt, die alte Methoden predigen. Es gibt auch Mütter und Väter, Omas und Opas, die für’s schreien lassen plädieren. Sie werden mit der Zeit weniger werden, oder sich uns anschließen.

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      Lia sagte:

      Ich (Hebammenstudentin) bin im professionellen als auch privaten vielen Familien begegnet, die in der Schreiambulanz dieses Buch empfohlen bekommen haben.
      Und die Eltern ziehen es durch.

      Kein Kuscheln mit dem Baby, ab 6. Monat oder sogar schon früher eigenes Bett.

      Ich könnte heulen so schlimm finde ich es (die Eltern insgeheim auch, wollen sich aber an “eine Theorie halten & diese durchziehen”. Alle sind mit den Nerven am Ende. Ich habe bereits versucht, sanft zu erklären, warum es für die Entwicklung (auch des Schlafverhaltens) wichtig ist, dass sich das Kind im Körperkontakt runterregulieren kann. Das stößt auf starke Ablehnung.

      Ich weiß nicht mehr weiter. Hast Du oder eine der Lesenden einen Tipp?

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        Jana Friedrich sagte:

        Es gibt inzwischen zahlreiche bedürfnisorientierte Bücher zum Schlafen. Ich würde “Gegenlektüre” empfehlen. Sobald Eltern die Mechanismen verstehen, klappt es meistens auch wieder besser, seiner Intuition zu vertrauen. Zumindest meine Erfahrung.
        -Nora Imlau
        -Herbert Renz-Polster
        -Susanne Mirau
        sind da gute Adressen für Überzeugungsmaterial.
        Liebe Grüsse
        Jana

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    die Michis sagte:

    Wir leben in einem Land, in dem Meinungsfreiheit gilt. Das ist wunderbar und gut so.
    Aber die Gefahr an diesem Buch ist doch folgende: Die Autorin gibt sich als Expertin und vermittelt der unerfahrenen Mutter und Leserin den Eindruck, hier eine einfache, funktionierende und risikofreie Methode zu erklären, damit das Kind schlafen “lernt”. Die damit verbundenen Risiken werden der Leserin dabei nicht klar.
    Und zum Thema “lieber Ferbern als Schütteln”: Würde das Buch unter dem Motto stehen “Der letzte Ausweg: Umgang mit extremen Krisensituationen” würde die Welt anders aussehen. Aber doch bitte nicht “Schlafen lernen”, damit jede Mutter, deren Kind im Elternbett schläft oder nachts regelmäßig aufwacht, denken muss, sie hätte verpasst ihrem Kind etwas wichtiges beizubringen mit einer Methode “auch wenn es schlimm ist, das muss jetzt sein, sonst lernst du es nicht”
    Ich denke, dass das Buch nur deshalb so gut verkauft wird. Eltern fühlen sich von Außenstehenden unter Druck gesetzt. Nach drei Monaten bekommt man doch zu ersten Mal zu hören, dass das Kind nicht mehr im Elternbett schlafen soll, tagsüber nicht im Arm und auch nicht neben einem auf der Couch. Wie schlimm es ist, wenn man das weinende Kind aus dem Kinderwagen nimmt.

    Wenn man aus dem Zimmer geht, um mal kurz durchzuatmen und vielleicht auch mal pinkeln zu gehen, dann ist das sicher kein “ferbern”!
    Mit einem kleinen Baby ist man sicherlich oft in der Situation, in der man an der persönlichen Grenze steht. Aber wieviele Eltern sind dann kurz davor, das Neugeborene zu schütteln? Lieber trägt man das Kind den ganzen Tag im Zimmer auf und ab, kommt nicht mehr dazu, etwas zu essen oder zu trinken, sitzt auf der Couch mit dem schlafenden Säugling im Arm, läuft Kilometer um Kilometer mit dem Kinderwagen, als dass man auch nur eine Minute Weinen aushalten muss. Gegen stundenlanges Gequengel in Wachstumsschüben oder wenn die Zähne einschießen hilft auch kein ferbern. Oft hilft auch kein Kinderwagen, keine Manduca, keine Kuschelrunden, kein Stillen. Da hilft auch nur durchhalten und atmen, bis drei zählen und vor allem NIEMALS dem Kind Absicht zu unterstellen. Mit Kindern kommt man doch fast täglich in solche Situationen. Da muss man durch!

    Ich habe diese Petition unterschrieben. Es geht dabei nicht darum, die Methode zu verbieten und jeden, der sie anwendet, polizeilich zu melden und zu bestrafen. Es geht darum, ein Buch vom Markt zu nehmen, dass eine hochriskante Methode unter “falschem Namen” millionenfach verkauft und millionenfach Eltern erreicht, die diese Methode viel zu oft als normal ansehen und nicht als letztes Mittel.

    Würde die Pharmaindustrie ein Medikament gegen Kopfschmerzen frei verkäuflich auf den Markt bringen, das eigentlich als letztes Mittel bei schweren Migräneanfällen gedacht ist und häufige, schwere, nachhaltige Nebenwirkungen hat, würde jeder verlangen, man solle es sofort vom Markt nehmen, oder?

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  11. Avatar
    Maria sagte:

    Sind wir doch mal ganz realistisch: diese Petition wird zu keinem Bücherverbot führen, einzig und allein aufgrund der Meinungs- und Pressefreiheit.
    Aber allein durch diese Aktion, durch den Facebook-Aufruf, wurden so viele Menschen auf die Problematik und Fraglichkeit des Ferberns aufmerksam, dass es sich lohnt, die Petition zu teilen. Das allein gibt der Petition eine Daseinsberechtigung und ich danke der Erstellerin dafür, diesen Stein ins Rollen gebracht zu haben.
    Man muss deshalb nicht gleich von Hexenjagd, Bücherverbrennung und politischem Eingriff ins Familienleben reden. Ohne Drama keine Aufmerksamkeit 😉

    Kurz: ich finde es super, dass es das Thema in die Öffentlichkeit geschafft hat (siehe BILD-Artikel) und es vielleicht wenigstens eine Familie vom ferbern abhält. Dann hätte es sich schon gelohnt.

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  12. Avatar
    Dechse sagte:

    Wichtiger als ob die Petition zum Verbot führt ist aber doch was in den Köpfen der Leute passiert. Und ich glaube der Trend geht eher dahin das nicht so differenziert zu sehen sondern die Haltung zu haben, dass man “natürlich” so ein Buch verbieten muss, auch wenn sie “eigentlich” der Meinung sind, dass man “natürlich” ein Recht auf freie Meinungsäußerung hat.

    In
    “Tränenreiche Babyzeit –
    Warum weinen Babys mehr als Eltern erwarten?
    Über die Problematik der schreienden Babys”
    (einer Broschüre des Bundes Deutscher Hebammen)
    wird meiner Meinung nach toll auf die Thematik eingegangen, dass Babys manchmal schreien müssen (Stichwort Stressabbau/einziges Ventil), und darauf wie man sie dabei begleiten kann.

    Ich fände es sehr viel sinvoller, das als Alternative anzubieten, bzw. insgesamt mehr Aufklärung zu betreiben. (Stichwort “Warum schlafen Babys nicht durch?”)
    Es scheint allerdings nicht sehr bekannt zu sein, ich bin zufällig darüber gestolpert, und habe von keiner meiner Hebammen je davon gehört.

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  13. Avatar
    Elena sagte:

    Ich denke, vielen UnterzeichnerInnen der Petition geht es nicht wirklich darum, das Buch zu verbieten(!), sondern schlicht darum, eine breite öffentliche Diskussion in Gang zu bringen. Natürlich hat jede Mutter und jeder Vater das “Recht”, in einer total anstrengenden Situation mal den Raum zu verlassen und das Baby weinen zu lassen, darum geht es in der Tat überhaupt nicht. Doch es ist m.E. geradezu gefährlich, jungen unerfahrenen Eltern einzureden, es sei eine sinnvolle pädagogische Methode, das eigene Kleinkind über Minuten „kontrolliert schreien“ zu lassen (was für ein Ausdruck), und den Eltern damit die natürliche Empathie abzutrainieren. So gehen sie evtl. auch später distanziert und zu kopfbetont mit den Problemen ihrer älteren Kinder um. Und was ein Baby empfindet und „denkt“, wenn es schreit und die eigene Mutter darauf nicht umgehend reagiert, das möchte ich gar nicht wissen.

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  14. Avatar
    Stefanie sagte:

    Ich möchte an dieser Stelle das Buch “endlich durchschlafen” von Christine Rankl empfehlen. Sie ist Psychotherapeutin, die lange in einer Schlafambulanz (Hilfestelle für Eltern mit Kindern mit Schlafproblemen) gearbeitet hat. Das tolle an dem Buch ist, dass es zu 3/4 aus Erklärungen besteht, warum Kinder nicht schlafen, gegliedert nach Alter der Kinder und Babies und familiärem Hintergrund (Geschwister, kleine Wohnung, Alleinerziehend, Mutter/Vater geht wieder arbeiten, Krankheit und und und). Sie klopft erst ab, ob es äußere Gründe gibt, warum das Kind schlecht schläft. Erst wenn solche Gründe komplett ausgeräumt sind, geht es darum, wie das Kind lernen kann, alleine einzuschlafen.
    Meineserachtens setzt das “Ferbern” leider erst an dieser Stelle an. Ein Kind, das “nur” noch lernen muss, selbst einzuschlafen, kann das Stück für Stück lernen, wenn die Eltern es üben lassen (das ist der Punkt, wo die Eltern aus dem Zimmer gehen und das Kind “schreien” lassen.) Es gibt genügend Kinder, die an diesem Punkt dann innerhalb weniger Minuten eingeschlafen sind. Es gibt aber halt auch welche, bei denen das nicht klappt, weil sie andere Probleme haben und dann ist schreien lassen Kinderquälerei. Deswegen finde ich die Ferber-methode zu kurz gegriffen und das Buch von Christine Rankl sehr gut, weil sie auf mögliche Probleme eingeht, anders als Ferber.

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  15. Avatar
    mamafraumensch sagte:

    Vielen Dank für diesen Beitrag! Ich hatte mal eine andere, weil ortsnähere Hebamme gebeten, sich unsere Tochter hinsichtlicher ihrer (Gewichts-)Entwicklung anzusehen. Als sie kam, war es zufälligerweise Mittag und prompt wies sie uns an, die Kleine schlafen zu legen. Pucken, Rolladen zu, Spieluhr an, Schnuller in den Mund gestopft, alle raus aus dem Zimmer, Tür zu und ab in die Küche. Wir waren so baff! Mein Mann dürfte dann nach ein paar Minuten zu ihr, sie brüllte jetzt wie am Spieß, Spieluhrwieder an, Schnuller wieder rein (dabei nimmt sie den bis heute nur zum spielen), mein Mann machte wenigstens das Babyphone an, wieder raus… Klar war nach 20 Minuten Geschrei Ruhe… Aber das hat uns das Herz zerrissen! Diese Hebamme kommt uns nicht mehr ins Haus!

    Ich kann jedem nur das Buch “Ich will bei euch schlafen” empfehlen!

    Lg, Anja

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  16. Avatar
    Ina sagte:

    Hallo. Ich bin tatsächlich nur durch Zufall eben hier gelandet, eigentlich habe ich zu Pro und Kontra des Puckens gegoogelt. Umso schockierter war ich, eine Kritik an dem Buch vorzufinden, welches ich mir gekauft hatte, als wir versuchten, schwanger zu werden. Als große Schwester von 6 Geschwistern kam mir das Thema recht relevant vor. Ich habe es damals durchgelesen (das ist über ein halbes Jahr her) und jetzt ist es bei einer Freundin, deshalb kann ich momentan nicht rein schauen. Aber mein Eindruck zu dem Buch, so wie ich mich erinnere, ist, dass es mir vor allen Dingen vermittelt hat, dass sich Säuglinge fürchten, wenn sie sich alleine gelassen fühlen und dass man sie deshalb z. B. nicht nach dem Einschlafen weglegen soll. Vieles in dem Buch hat mir eher das Gefühl vermittelt, wie wichtig es ist, auf die Bedürfnisse des kleinen Wesens einzugehen und ihm ganz viel Liebe und Geborgenheit zukommen zu lassen. Unter anderem deshalb habe ich mich auch entschlossen, ein Beistellbettchen zu besorgen, um nachts meinen kleinen Schatz ganz nah bei mir zu haben, sodass ich schneller reagieren kann, wenn er/sie sich regt. (Das stand allerdings nicht im Buch, glaube ich)
    Nun bin ich natürlich völlig verunsichert. Vermutlich sind viele generelle Aussagen zur Psyche des Kindes aus dem Buch nicht schlecht, bloß die Methodik des “schreien lassens” ist nicht gut?! Soweit ich mich erinnere, ging es im Buch darum, dass man dem Kind in dieser Phase auch vermitteln soll, dass man da ist und die Intervalle langsam steigert, aber ich kann mich irren. Trotzdem weiß ich nun nicht, wie ich damit umgehen werde, wenn es bei mir so weit ist, dass mein Baby nachts in seinem eigenen Zimmer schlafen soll / muss (auch um meinen Mann zu entlasten, der nach einem harten Arbeitstag einfach seinen Schlaf dringend nötig hat).
    Ich als werdende Mutter hätte mir gewünscht, dass hier beschrieben wird, was “Ferbern” (ich entsinne mich nicht, dass dieser Begriff überhaupt im Buch auftauchte) überhaupt ist, und wie man es stattdessen besser machen kann, wenn Eltern und Kind(er) unter der Situation leiden. Die Kommentare (auch unter dem verlinkten Video) zeigen leider, dass diese Gesellschaft noch weit davon entfernt ist, dass die Nachbarn bei einem häufig schreienden Kind ihre Hilfe anbieten, statt das Jugendamt zu informieren… 🙁

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  17. Avatar
    Janina sagte:

    Hallo zusammen!
    Las soeben sehr interessiert diese Diskussion. Die Ferber Methode hat mich bereits nach der Geburt meiner Tochter (jetzt 4Jahre alt) beschäftigt. Das “Schreien lassen” als Einschlafmethode wurde mir von mehreren Seiten empfohlen. Aber ich empfand dabei nichts Gutes und konnte es schon allein vom Bauchgefühl her überhaupt nicht nachvollziehen. Nach einigen Recherchen im Netz wrde ich in meiner Ablehnung genüber der Methode schnell bestätigt. Die “wissenschaftlichen” Erkenntnisse, die der Ferber-Methode zu Grunde liegen, entstammen oder ähneln stark (da mag ich mich jetzt nicht festlegen) den Erziehungsansätzen des Buches “Die Frau und ihr erstes Kind” (älteren Semestern vielleicht noch bekannt als “Die deutsche Frau und ihr erstes Kind”!!)Na, klingelts?! Genau! Nationalsozialistisches Gedankengut als Basis zur Erziehung… wenn das mal nicht eher darauf abzielte möglichst willenlose, folgsame Untertanen heranzu züchten! Und das wird wohl kaum der Intention heutiger, politisch aufgeklärter Eltern entsprechen. Ich bin aber- um nicht mit gleichen Mitteln (Bücher verbieten, Meinungsfreiheit einschränken) zu kämpfen, ebenfalls für Aufklärung statt Verbot!!!

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